Milchbauern ziehen Konsequenzen

In Gladbach gibt es 27 Betriebe mit Milchkühen. Auch sie hadern mit den Milchpreisen. Investitionen liegen auf Eis.

Jeden Morgen um spätestens 6 Uhr steht Andreas Pflipsen im Stall bei seinen 85 Kühen. Er treibt seine Tiere in den Melkstand, legt ihnen von Hand die Melkmaschine an. Danach kümmert er sich um die Futter-Produktion — Silage aus Mais und Gras, etwas Heu und Stroh aus eigenem Anbau — und wenn er damit fertig ist, wird ab etwa 18 Uhr wieder gemolken. So geht das jeden Tag. 365 Tage im Jahr. Melken alle zwölf Stunden. Kühe kennen keine Feiertage. Und so lange Pflipsen (40) für die rund 800 000 Liter Milch, die seine Tiere im Jahr geben, genug Geld verdient, ist er auch zufrieden mit seinem harten Job als Landwirt und Milchviehhalter. Im Moment aber verdient er so wenig dafür, dass er sich gerade noch über Wasser halten kann, weil er viel spart. „Wenn das mit dem Milchpreis so weitergeht, kann man es sich irgendwann nicht mehr leisten“, sagt Pflipsen, der seit 24 Jahren im Familienbetrieb arbeitet und ihn inzwischen weiterführt.

Mit Milch verdienen die Landwirte auch in Mönchengladbach im Moment so wenig Geld, dass es kaum zum Weitermachen reicht. Allein im Mai sind die Preise um 10,1 Prozent gefallen, hat IT.NRW berechnet. Das betrifft in Mönchengladbach eine ganze Reihe an Bauern. Laut der letzten Erhebung vom Mai 2015 gibt es in der Stadt 27 Betriebe mit Milchkühen, die insgesamt 1215 Milchkühe in den Ställen stehen haben. Damit ist Gladbach unter den kreisfreien Städten in NRW auf Platz vier. Nur in Bottrop, Münster und Hamm gibt es mehr Milchkühe in Großstädten — und natürlich in den ländlichen Kreisen.

„Wir haben wenig Flächen, deshalb brauchen die Landwirte Milcherzeugung“, sagt Wolfgang Wappenschmidt, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Neuss-Mönchengladbach. Der Chef der Gladbacher Landwirte macht vor allem die Überproduktion durch die aufgehobene Milchquote vor gut einem Jahr und die international gesunkene Nachfrage für das riesige Überangebot an Milch verantwortlich.

Wolfgang Wappenschmidt, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Neuss-Mönchengladbach

Das nutzt der Lebensmittelhandel, um Preise zu drücken. Nach Russland wird nichts geliefert, und China hat auch lange Zeit Milchpulver von Gladbacher Bauern gekauft. Wappenschmidt, der die verkündete Nothilfe des Bundesagrarministeriums gestern mit großem Interesse verfolgte, ist überzeugt: „Der Markt wird sich wieder beruhigen. Aber wir müssen die Strukturen zur Milchproduktion erhalten.“

Und das wird schwer: Bei einem Milchpreis von 40 Cent pro Kilogramm, wie ihn die meisten Landwirte als gut auskömmlich beschreiben, würde ein durchschnittlicher Milchbauer mit einer Produktion von 800 000 Litern im Jahr wie Andreas Pflipsen rund 330 000 Euro erlösen. Bei derzeit durchaus realistischen 25 Cent pro Liter sind es nur noch gut 200 000 Euro. Und viele Bauern, die keinen Vertrag mit einer Molkerei haben und an Erzeugergemeinschaften verkaufen, müssen mit viel weniger Geld rechnen. Da bleibt nicht viel übrig, um den Hof zu halten, das Personal zu bezahlen und selbst genug zu verdienen — eine Milchmädchenrechnung.

Andreas Pflipsen zieht nun erste Konsequenzen aus der Milchmisere. Eigentlich wollte er einen neuen Stall bauen mit modernerer Technik und mehr Platz für Kühe. Und er überlegte, einen Milchautomaten aufzustellen, damit Kunden immer frische Milch zapfen können. Beides geht derzeit nicht. „Wir haben alle Investitionen nach hinten gestellt.“

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