Mehr Personal für Vormundschaften

Wenn Kindern zu Hause Gewalt droht und Richter den Eltern das Sorgerecht entziehen, muss ein Vormund her. Das Gladbacher Jugendamt hat sich Mitte 2009 das Ziel gesetzt, sein System zu verbessern – und kommt damit einem aktuellen Plan der Bundesregierung zuvor.

Mönchengladbach. Es gibt Namen, die innerhalb von Sekunden Bilder oder ganze Szenen im Kopf hervorrufen können. Kevin ist so ein Name. Ein misshandelter Zweijähriger, der 2006 von Polizisten tot in einem Sack in der elterlichen Wohnung gefunden wird. Unterernährt, verwahrlost, mit zig alten Knochenbrüchen. Kevin stand damals unter Vormundschaft des Bremer Jugendamts. Nach der Untersuchung zum Tod des kleinen Jungen wurde eine lange Liste von Fehlern der Behörde öffentlich.

Fehler, die das Justizministerium nun mit einem veränderten Vormundschaftsrecht verhindern will. Kein Vormund soll "seine" Kinder nur aus den Akten kennen. Das Ministerium hat errechnet, dass bundesweit in drei von vier Fällen die Vormundschaft bei Jugendämtern und nicht zum Beispiel bei Verwandten liegt. In der Praxis hat ein Amts-Vormund dabei bis zu 120 Fälle von Vormundschaft zu betreuen. Bei Kevin sind es sogar mehr als 200 gewesen. Das durch eine Änderung des Vormundschaftsrechts anvisierte Ziel des Ministeriums liegt bei höchstens 50 Fällen.

So weit ist das Jugendamt Mönchengladbach zwar noch nicht. Aber schon lange bevor es entsprechende Pläne auf Bundesebene gab, hat die Behörde begonnen, ihr System umzubauen. So ist man auch auf dem Weg zu sinkenden Fallzahlen pro Amts-Vormund.

Mit einer komplett neuen Abteilung für Vormundschaften ging es am 1. Mai 2009 los. Zu Beginn gab es dort noch rund 110 Fälle pro Mitarbeiter. Mittlerweile liegt der Personalschlüssel bei einem Amts-Vormund pro 80 Kinder und Jugendliche. Weil die absolute Zahl von 2009 von 446 Fällen im Mai vergangenen Jahres auf mittlerweile 505 Vormundschaften im Jugendamt angestiegen ist, wird die Abteilung um zwei Mitarbeiter auf sechs aufgestockt.

Wenn Kindern zu Hause Gefahr droht, sie misshandelt, missbraucht, vernachlässigt werden oder verwahrlosen und Familienrichter den Eltern das Sorgerecht entziehen, werden in Mönchengladbach mittlerweile rund zwei Drittel der Vormundschaften an das Jugendamt vergeben. "Und wir gehen davon aus, dass die Zahlen weiter steigen", sagt Dirk Rütten, Pressesprecher der Stadt. Immer mehr Eltern in Mönchengladbach sind mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert. So ist etwa die Zahl Familien, die auf Hilfen zur Erziehung angewiesen sind, die also zum Beispiel Unterstützung zu Hause etwa von Sozialpädagogen oder Haushaltshilfen bekommen, in den vergangenen Jahren stark gestiegen. 2009 musste sogar zweimal beim städtischen Haushalt nachgebessert werden, weil das Geld nicht mehr reichte.

Für einen besseren präventiven Kinderschutz arbeitet das Jugendamt seit 2007 gemeinsam mit anderen Behörden und Institutionen an einem "sozialen Frühwarnsystem". Über den Sozialen Dienst des Jugendamts hinaus sollen viele Institutionen - von Ärzten, Kindertagesstätten, Familienzentren über die Arbeitsgemeinschaft Arge bis hin zu Schulen - besser vernetzt werden. Nicht vergessen ist der Tod der kleinen Vanessa, die vom Mönchengladbacher Jugendamt betreut wurde. Die Zweijährige war im März 2003 von ihrer Mutter erstickt worden. Es hatte Vorwürfe gegen einen Mitarbeiter des Sozialen Dienstes gegeben. Das Verfahren war jedoch 2004 eingestellt worden.

Die Arbeit des Jugendamts hat sich mittlerweile dadurch geändert, dass möglichst flexibel Personal eingestellt werden kann, wo es gebraucht wird, um eine Arbeits-Überlastung von Mitarbeitern zu verhindern. "Im Sozialen Dienst wurde ein Punktesystem eingeführt, mit dem Fälle je nach Arbeitsaufwand bewertet werden", so Dirk Rütten. Zum System gehört ein Personalschlüssel.

Dass die neue Abteilung für Vormundschaften im vergangenen Jahr geschaffen wurde, sei geschehen, so Rütten, um "Interessenskonflikte zu vermeiden". Zuvor habe es im Sozialen Dienst des Jugendamtes bei den mit Vormundschaften betrauten Mitarbeitern eine "Doppelrolle" gegeben. Sie waren einerseits Antragsteller für bestimmte Hilfen oder Entscheidungen, die ihre Mündel betrafen. Andererseits waren sie auch diejenigen, die über die Genehmigung der Anträge zu entscheiden hatten. Rütten: "Nun gibt es eine saubere Trennung."

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