Manfred Neuß: Bestatter der Tiere

Warum wird ein Geistenbecker, der die Hunde liebt, zum „Herr der toten Tiere“?

Mönchengladbach. „Dixie war für mich wie ein guter Mensch“, sagt die fast 66-Jährige. Sie sagt das voller Rührung. Bei der Rheydterin hatte es die 14 Jahre alte Dackel-Dame gut. „Nach ihrem Tod soll sie es auch gut haben“, sagt die Frau, „und nicht irgendwo auf einer Wiese landen.“ Als anonyme Asche.

Ein Mann für solch traurige Fälle ist Manfred Neuß. Der 44-jähige ist durch Strolch auf den Hund bzw. auf den Tierbestatter gekommen. Als der Mischling mit 16 Jahren einschlief, entschied der Gladbacher: „Mein Hund soll ,weiterleben’.“ Gemeint: Er selbst brachte den Kadaver zum Einäschern ins Krematorium. Und Strolch ist bei ihm geblieben — in einer Urne.

Neuß ist durch Strolch zu einem geworden, der Tiere auf dem letzten Weg begleitet. Ob Hund, Hase, Hamster oder Katze — der Geistenbecker übt seinen ungewöhnlichen Beruf mit viel Engagement aus, wie er sagt. Sein Gewerbe ist offiziell angemeldet. „Ich habe schon für Menschen gearbeitet, die mehrere Ikea-Dosen mit der Asche ihrer toten Tiere im Wohn- oder Schlafzimmer stehen haben.“

Warum? „Weil sie sagen, es war wie ein Kind für mich. Das kann ich doch nicht einfach so wegwerfen. Und weil es in Gladbach immer noch keinen Tierfriedhof gibt“, kritisiert Neuß.

Er mache immer öfter die Erfahrung, dass Menschen, die ein geliebtes Tier verlieren, dieses nicht beim Tierarzt abgeben wollen — nach dem Motto „das war’s dann mit Dixie“. Beim Veterinärmediziner würden die Kadaver in eine Kühltruhe gesteckt. Ist die voll, wird die leblose Fracht zum Krematorium, zum Beispiel nach Wesel, gebracht. Dort sei alles nur noch Müll, weiß Neuß. Das Tierfett werde an die chemische Industrie verkauft oder in der Biogasanlage genutzt. Die Entsorgung per Tierarzt kostet in der Regel 100-130 Euro.

Neuß schildert seine Tätigkeit so: Er sorgt für sämtliche Formalitäten (unter anderem Abmelden bei der Stadt), bringt beispielsweise den toten Hund im Plastiksack zur Einäscherung. Über all diese Vorgänge gibt es ein Protokoll, eine Urkunde mit Hundename und Herzchen, wenn es denn so gewünscht ist.

Dazu die passende Urne oder der feine Karton. Oder die Bestattung auf dem Krefelder Tierfriedhof. Das alles (und mehr) kann 300 Euro und mehr kosten. Neuß sagt: „Das ist nicht zu teuer, wenn man bedenkt, dass es ein Liebling war.“ Nicht billiger ist übrigens eine Beerdigung auf dem Friedhof der Tiere. Hier kann man eine Fläche für mehrere Jahre mieten.

Dass Heimtiere auch im Garten begraben werden, ist nichts Neues und eher eine Frage von Größe und Gewicht. Allzu groß dürfen sie jedenfalls nicht sein. Zudem darf die Fläche nicht in einem Wasserschutzgebiet liegen, die Mindestabdeckung muss 80 Zentimeter betragen.

Neuß, seit eineinhalb Jahren Bestatter der Tiere, kann es nicht lassen. Nach Strolch kam Sam, wieder ein Mischling, nur mit knapp sieben Jahren deutlich jünger. Und er kümmert sich mittlerweile auch um Tiere, die leben. Zum Beispiel bei Infoabenden mit einer Tierärztin. Hier geht es um Ernährung, Bewegung, Krankheiten, Tier-Glück, aber auch um den Tod.

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