Literatur: Lesen mit Stoppuhr

Die besten Vorleser der Mönchengladbacher Haupt-, Real-, Gesamtschulen und Gymnasien traten im Wettbewerb gegeneinander an.

Mönchengladbach. Aufgeregt rutschen die Kinder auf ihren Stühlen hin- und her, während Michelle Ohlig eine Passage aus ihrem Lieblingsbuch "Hier kommt Lola" von Isabel Abedi vorliest.

"Es geht um ein Mädchen mit einem brasilianischen Vater und einer 80 Zentimeter großen Tante", erzählt sie aufgeregt und ihre Stimme überschlägt sich fast. Michelle Ohlig nimmt neben 15 anderen Sechstklässlern am Vorlesewettbewerb des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels in der Mayerschen Buchhandlung teil.

Unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Horst Köhler und in Zusammenarbeit mit Bibliotheken und kulturellen Einrichtungen sollen durch die jährliche Veranstaltung Leselust und Lesespaß vermittelt werden. "Wir wollen Kinder für Bücher begeistern und ihnen die Kernkompetenz des Lesens näher bringen", sagt Birgit Sieben-Weuthen. Die Filialleiterin fiebert heute mit jeder einzelnen Leseratte mit und drückt die Daumen.

Alle seien jetzt schon "Siegertypen" sagt Sieben-Weuthen, schließlich treten bei dem Stadtentscheid diejenigen an, die sich bereits in ihrer Klasse durchgesetzt haben.

In zwei Gruppen soll nun von einer Jury der oder die Beste ermittelt werden. In Gruppe A sind die Bücherwürmer der Hauptschulen vertreten, in Gruppe B konkurrieren die talentiertesten Vorleser der Gymnasien, Realschulen und Gesamtschulen miteinander.

Zoe Krawczynska hat sich als Teilnehmerin des Hugo-Junkers-Gymnasiums qualifiziert. "Ich lese eine Szene aus dem ,Bernstein-Teleskop’ vor, in der zwei Freunde gemeinsam in die Totenwelt reisen", sagt Zoe. Sie finde es spannend, durch die eigene Vorstellung in fremde Welten abzutauchen.

Ihre Mutter ist überzeugt, dass das gemeinsame Schmökern die Lesebegeisterung ihrer Tochter geweckt hat. "Ich habe ihr schon früh die Klassiker mitgebracht, wie zum Beispiel Astrid Lindgren", erinnert sich Natalia Krawczynska, die mindestens genauso angespannt wirkt wie ihre Tochter. Innerhalb von drei Minuten soll Zoe den bekannten Text so flüssig wie möglich vortragen.

Die Zeit wird streng gestoppt, damit jedes Kind die gleichen Voraussetzungen hat. Danach müssen sie ihre Fähigkeiten in einer zweiten Runde mit einem unbekannten Roman unter Beweis stellen. Es gibt drei Kriterien anhand derer die vierköpfige Jury aus zwei Lehrern, einer Buchhändlerin und einer Mitarbeiterin der Stadtbücherei den Gewinner ermittelt: Textgestaltung, Textverständnis und Lesetechnik.

Die Experten achten besonders darauf, ob die Teilnehmer den Sinn des Gelesenen verstehen oder das Kapitel auswendig gelernt haben. "Es ist manchmal gar nicht so leicht zu entscheiden, wer letztlich besser war und wo die feinen Unterschiede liegen", sagt Birgitt Jagielski vom Gladbacher Schulamt, "ich ziehe jedenfalls vor jedem Kind den Hut."

Am Ende fand es die Jury tatsächlich sehr schwer zu entscheiden, da "die Teilnehmer eigentlich alle sehr gut und auf einem ähnlichen Niveau waren", sagte Sieben-Weuthen.

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