Langzeitarbeitslose erzählen mit Online-Videos ihre Geschichten

Ein Kurs des Volksvereins vermittelte „Storytelling“-Kompetenzen.

Langzeitarbeitslose erzählen mit Online-Videos ihre Geschichten
Foto: Volksverein

Abdel bekam er eine Abmahnung nach der anderen. Er kommt zu spät, meldet sich nicht rechtzeitig krank. „Als ich dann noch eine Verwarnung bekam, dachte ich, jetzt bin ich wieder auf der Straße“, sagt er. Doch dann bekommt er von seinem Chef einen Wecker geschenkt und beginnt, sein Leben danach auszurichten. Seine Armbanduhr stellt er fünf Minuten vor. Es ist immer noch ein Kampf, seinem Leben Struktur zu geben, aber einer, den er gewinnen kann. Abdel hat nach seiner Zeit beim Volksverein einen festen Job, in dem er regelmäßige Nachtschichten ableistet. Er erzählt seine Geschichte auf Youtube, um anderen Mut zu machen.

„Storytelling“, also Geschichten erzählen, nennt sich die Methode, die der Volksverein Teilnehmern an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen angeboten hat. Sechs Teilnehmer wurden eingeladen, ihre Geschichte zu erzählen, daraus einen Film zu machen, ihn zu schneiden, zu vertonen und — wenn gewünscht — öffentlich zu machen. „Menschen entdecken und reflektieren so ihre eigene Geschichte“, erklärt Matthias Merbecks vom Volksverein. „Die eigenen Erfolge sind besser zu erkennen, wenn man sie jemandem erzählt.“ Die Teilnehmer berichten und werden von Profis bei der Umsetzung des Films unterstützt. Abdel hat ein Video zusammengeschnitten,

Alina erzählt ihre Geschichte durch Zeichnungen. Sie kam vor 15 Jahren mit großen Träumen aus Osteuropa nach Deutschland, wurde aber schnell von der Realität eingeholt. Als die Kinder groß genug waren, schickte das Jobcenter sie zum Volksverein. „Ich war sehr misstrauisch“, sagt sie. Aber dann entdeckte sie die Bildungsangebote und entschloss sich zu einem Fernstudium als Bauzeichnerin. Sie wusste: Das wird anstrengend. „Ich habe meinen ganzen Mut zusammengenommen“, berichtet sie. „Und jetzt fühle ich mich stärker als vorher und habe neue Hoffnung.“

Das Storytelling-Projekt macht die Menschen hinter der Statistik sichtbar. Wie wichtig das ist, zeigen Studien, die belegen, dass fast die Hälfte der Deutschen Aussagen zustimmt, die Langzeitarbeitslose abwerten. Diese abschätzige und diskriminierende Haltung ist in Deutschland weiter verbreitet als Rassismus, Sexismus oder Antisemitismus. Gegen diese gesellschaftliche Sicht wolle man das Einzelschicksal setzen, erklärt Stefanie Neumann vom Volksverein, die das Projekt begleitete. Für die Teilnehmer war es in jedem Fall etwas Ungewöhnliches und Aufbauendes. „Jeder hat den eigenen Film als etwas ganz Besonderes empfunden“, sagt Matthias Merbecks. „Alle sind stolz darauf und wollen damit anderen Mut machen.“

Abdels Video findet sich im Internet unter:

www.youtube.com/watch?v= stKWS-ARd1g&feature=youtu.be

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