Künstler verlegt 15 neue Stolpersteine

Die im Boden eingesetzten Gedenktafeln erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus.

Künstler verlegt 15 neue Stolpersteine
Foto: Ilgner

Margarethe Stobbe hat gelbe Rosen mitgebracht, um sie an fünf, noch neu glänzenden Stolpersteinen niederzulegen. Die Mönchengladbacherin ist Patin der Gedenktafel, die seit gestern an der Waldhausener Straße an ihren Spielkameraden Joachim Gideon Levi erinnert. Die Tafel mit seinem Namen fügt sich ein neben den Steinen, die an seine Eltern Alex und Erna Johanna sowie die Großeltern Jacob und Fanny Levi erinnern. „Ich habe gesehen, wie Joachim abgeholt wurde. Ich war damals sechs Jahre alt, wie er Jahrgang 1936. Ich wusste, dass etwas Schlimmes passiert, doch die Erwachsenen durften nicht reden. Das war gefährlich. Gegenüber wohnte ein Ortsgruppenleiter, der denunzierte die Nachbarschaft“, sagt die Zeitzeugin.

Tochter Sabina gibt der Mutter Halt, die tief betroffen und aufgewühlt ist von den Erinnerungen. Zugleich betont Stobbe, wie wichtig es ist, die Erinnerung an das erlittene Unrecht wach zu halten. Für 15 neue Stolpersteine übernahmen neben Margarethe Stobbe etwa die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Mönchengladbach und die Klasse 9d des Franz-Meyers-Gymnasiums Patenschaften.

Das Haus der Familie Levi gibt es heute nicht mehr. Die nicht mehr vorhandene Adresse Waldhausener Straße 72 war die erste von sechs Stationen, an denen der Künstler Gunter Demnig gestern Stolpersteine verlegte. Die Steine erinnern an Menschen, die von den Nationalsozialisten verhaftet, deportiert, in den meisten Fällen ermordet oder in den Selbstmord getrieben wurden.

Demnig verlegt die Stolpersteine an den letzten selbst gewählten Wohnorten der Opfer. Er fügt Gedenktafeln aus Messing auf einem angegossenen Betonwürfel in die Bürgersteige ein. Die von Hand eingeschlagene Beschriftung nennt die Daten von Geburt, Deportation und, soweit bekannt, Tod.

Mit der Aktion will der Künstler den Menschen, die in den Lagern zu Nummern erniedrigt wurden, ihren Namen wiedergeben. Will der Betrachter die ihnen gewidmeten Stolpersteine lesen, muss er sich bücken und nimmt unweigerlich die Haltung einer symbolischen Verbeugung an.

Demnig hat bisher 63 500 Steine in 21 europäischen Ländern verlegt. Bis Ende des Jahres werden es voraussichtlich 64 000 sein. „Das Verlegen an sich ist Routine, doch alles ringsum ist immer neu und anders. Es kommen immer öfter Angehörige dazu“, sagt der Künstler. Die weiteste Reise habe ein Angehöriger aus Tasmanien auf sich genommen. Bürgermeister Ulrich Elsen erzählt von der Familie Levi, die seit mindestens 1927 ein Installationsgeschäft betrieb. Die gesamte Familie — außer Joachims Onkel Max Levi — wurde im April 1942 nach Izbica deportiert und 1945 für tot erklärt. „Jeder Stein steht für einen Bürger unserer Stadt, der von den Nazis ermordet wurde. Wir bekennen uns damit zur jüdischen Tradition in unserer Stadt. Diese Menschen sind Teil unserer Identität. Der Künstler schafft Orte der Erinnerung an Einzelpersonen“, sagte Elsen.

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