Jodtabletten für Ernstfall bestellt

Wie die Medikamente zum Strahlenschutz bei Reaktorunglücken verteilt werden, ist noch unklar.

Jodtabletten für Ernstfall bestellt
Foto: dpa

Wird die Gladbacher Bevölkerung demnächst vorsorglich mit Jodtabletten versorgt, damit sie im Fall eines Reaktorunglücks schnell reagieren kann? Bislang lehnte das Innenministerium NRW eine präventive Verteilung strikt ab. Doch seit Mittwoch sieht die Sache anders aus: Nun dürfen die Jodtabletten doch an die berechtigten Bürger (alle unter 45 Jahren) vorab ausgegeben werden, wenn die Kommunen dem Ministerium klare Konzepte vorlegen kann. Die gibt es bereits in Gladbach — und zwar für beide Szenarien: für die Abgabe im Ereignisfall und für die Vorabverteilung. 133 000 Jodtabletten hat die Stadt bereits bestellt. Eingetroffen sind sie noch nicht. Und wie sie verteilt werden, ist auch noch nicht klar.

„Wir warten auf klare Anweisungen aus dem Innenministerium“, sagt Jörg Lampe, der als Leiter der Berufsfeuerwehr auch für den Katastrophenschutz im Stadtgebiet zuständig ist. Denn es gebe immer noch viele offene Fragen. Die Grundkonzepte stehen bereits in Mönchengladbach, das nur 120 Kilometer von dem umstrittenen Atommeiler Tihange entfernt liegt.

„Sollte es zu einer Vorabverteilung von Jodtabletten kommen, werden wir so etwas wie einen Wahlsonntag ansetzen“, sagte Lampe. Alle berechtigen Jodtabletten-Empfänger würden in diesem Fall benachrichtigt und könnten mit der gesendeten Karte an einem bestimmten Tag ihre Tablette abholen. „Dafür würden wir unsere alten Wahllokale aktivieren“, sagt Lampe. Eine vorsorgliche Abgabe habe durchaus Vorteile, berge aber auch Risiken. Lampe: „Was passiert, wenn jemand die Tablette im Ernstfall nicht mehr findet?“

Und es gibt noch weitere Fragen: Was passiert mit der Jodtablette, wenn jemand wegzieht? Wie bekommen Zuzügler die Jodgabe? Laut Dirk Rütten aus der städtischen Pressestelle gibt es in Mönchengladbach pro Jahr immerhin insgesamt 4000 Zu- und Wegzüge.

Der Plan für die Abgabe im Ereignisfall sieht so aus: Bei einem Reaktorunglück würde es einen Vorab-Alarm geben. Dann könnten sich die berechtigten Bürger ihre Tabletten in Apotheken und Krankenhäusern abholen, die zuvor mit den nötigen Rationen ausgestattet werden. „In diesem Fall bräuchte sich niemand Gedanken zu machen, wo er das Medikament sachgerecht aufbewahre“, sagt der Feuerwehrchef. Er hofft auf klare Anweisungen aus dem Innenministerium: Mit einer Erklärung, jede Kommune soll es so halten, wie sie es für richtig halte, könnte er nicht leben. „Dann haben Bürger in Keyenberg ihre Jodtabletten schon zu Hause und die in Wanlo sollen sie erst im Ereignisfall abholen — das geht nicht.“ Kommunen seien jetzt sowieso in einer misslichen Lage. Sie müssten die Bevölkerung über mögliche Konzepte im Katastrophenfall informieren, ohne gleich Panik zu schüren. Lampe: „Dabei können wir die aktuellen Gefahrenlagen in umstrittenen Reaktoren gar nicht beurteilen.“

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