JHQ: Skandal weitet sich aus

Mit 39 Verdächtigen fing alles an. Sie sollen die britischen Streitkräfte betrogen haben. Mittlerweile gibt es fast 100 Verdächtige.

Mönchengladbach. 300 Umzugskartons mit beschlagnahmten Schriftstücken aller Art, 500 Speichermedien wie Computer-Festplatten, DVDs, CDs, USB-Sticks müssen die Beamten der Ermittlungskommission im Fall des Korruptionsskandals im JHQ durchforsten. Sie stecken noch immer mitten in den Aktenbergen. Aber schon jetzt hat sich die Zahl der Verdächtigen von anfangs 38 auf mittlerweile fast 100 erhöht.

"Die Zahl ist explosionsartig gestiegen", sagt Wolf-Tilman Baumert von der Wuppertaler Staatsanwaltschaft, bei der schwerpunktmäßig Korruptionsfälle landen. Je weiter die Ermittler sich durch die Kartons graben, umso mehr Betrugsfälle werden entdeckt und umso mehr Menschen geraten ins Visier.

Ende April waren landesweit Standorte der Rheinarmee durchsucht worden. In ganz NRW waren es 64 Objekte, davon allein in Gladbach und Elmpt 13 Objekte. Dazu gehörten Büros im Joint Headquarter (JHQ), aber auch in Firmen sowie Privatwohnungen. Eine 15-köpfige Ermittlungskommission der Gladbacher Polizei arbeitet sich seitdem durch die mitgenommenen Beweismittel.

Zu Beginn der Untersuchungen war es darum gegangen, dass Mitarbeiter der Instandhaltungsabteilung der Streitkräfte Schmiergelder angenommen oder Scheingeschäfte getätigt haben sollten.

Mitarbeiter von acht Unternehmen in der Region wurden verdächtigt, die deutschen und britischen Zivilbeschäftigten mit Geld, Gütern, Fußball-Karten und Reisen bestochen zu haben. Alles vom Werkzeug über Wäschespinnen bis zu Waschbecken soll auf unsauberen Wegen bestellt worden sein. Auch Aufträge für Reparaturarbeiten sollen durch Bestechungen zustande gekommen sein.

Mittlerweile sind die Ermittler auf einen weiteren Trick gestoßen. So sollen Zivilbeschäftigte der Rheinarmee Ware aus den Lagern gestohlen haben und sie bei den deutschen Lieferanten gegen Gutschriften eingelöst haben.

"Wir müssen nun sehen, wer hat diese Ware in den Firmen angenommen und die Gutschrift ausgestellt", sagt Baumert, "und wusste er von den Vorgängen und dass die Ware gestohlen war oder hat er es einfach als normale Retoure gesehen." Bisher sei man "noch nicht bei allen Verdächtigen gewesen".

"Ein Ende ist noch nicht abzusehen", sagt Oberstaatsanwalt Baumert über den Stand der Recherchen. Die Höhe des Schadens, der vor allem zu Lasten des britischen Steuerzahlers entstand, sei demzufolge noch nicht zu bemessen. Sie dürfe aber siebenstellig sein.

Kurz nach den Durchsuchungen im April hatten die Briten für 13 ihrer Mitarbeiter (sechs aus Elmpt, sieben aus Rheindahlen) so genannte Verdachtskündigungen ausgesprochen. Andere Verdächtige waren, als alles aufflog, bereits nicht mehr für die Streitkräfte tätig gewesen. Ein Beteiligter war zum Beispiel bereits Pensionär.

Weitere Kündigungen habe es auf jeden Fall seitdem nicht mehr gegeben, hieß es von Seiten des Betriebsrats. "Aber es ist selbstverständlich nicht auszuschließen, dass es weitere geben könnte", sagte ein Mitglied des Betriebsrats, der am Dienstagmorgen von der Nachricht über die deutlich gestiegene Zahl der Verdächtigen überrascht wurde.

Auf die Korruptions-Affäre aufmerksam geworden war die Polizei durch einen Unternehmer aus dem Raum Mönchengladbach. Er war jahrelang an dem Bestechungs-System beteiligt gewesen. Als er bei den Aufträgen von den Zivilbeschäftigten nicht mehr berücksichtigt wurde und geschäftlich vor dem Ruin stand, gab er den entscheidenden Tipp.

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