Immer mehr Frauen leben auf der Straße

Die Zahl der Hilfesuchenden bei der Gladbacher Beratungsstelle für wohnungslose Frauen steigt seit 2007 rasant. Die Gründe sind vielfältig.

Immer mehr Frauen leben auf der Straße
Foto: Archiv

Sie sind zwischen 20 und 50 Jahre alt, stecken in unterschiedlichen Lebensphasen, haben unterschiedliche Biografien und unterschiedliche Schicksale. Eines haben die fünf Frauen, die in der Wohngemeinschaft des Diakonischen Werks an der Oskar-Kühlen-Straße leben, aber gemeinsam: Sie waren vorher obdachlos.

Frauen, die keine Wohnung haben, die draußen schlafen müssen, weil sie nirgendwo einen Unterschlupf fanden, sind nicht ein so seltenes Phänomen, wie viele vielleicht denken. In der Beratungsstelle für wohnungslose Frauen in Mönchengladbach meldeten sich im vergangenen Jahr 404 Hilfesuchende. „192 der Frauen waren obdachlos“, sagt Sozialpädagogin Anna Bögner, die beim Diakonischen Werk Frauen darin unterstützt, wieder persönliche Stabilität zu erlangen und in ein eigenständiges Leben ohne Betreuung zurückzufinden. Anna Bögner weiß: Die Zahl der wohnungslosen Frauen wächst — und das seit Jahren schon.

„In den 1990er Jahren waren von 100 obdachlosen Menschen, die sich bei der Diakonie meldeten, ein Drittel Frauen, jetzt nacht ihr Anteil schon die Hälfte aus“, sagt Brigitte Bloschak, Fachbereichsleiterin bei der Diakonie.

Räumungsklage, Trennung, Lebenskrise, Haftentlassung: Es gibt viele Gründe, weshalb Frauen plötzlich ihr Dach über dem Kopf verlieren. „Bei mir war zuletzt eine Mutter von vier Kindern, die wohnungslos wurde, weil das Haus in dem sie lebte, für unbewohnbar erklärt wurde. Sie wohnt jetzt in einem Container“, sagt Anna Bögner.

Nicht jede Frau, die plötzlich obdachlos wird, braucht das Angebot „Ambulant betreutes Wohnen“, wie es an der Oskar-Kühlen-Straße angeboten wird. Aber die Plätze dort reichen bei Weitem nicht aus. „Wir müssen vielfach Frauen abweisen“, sagt Anna Bögner. Und obwohl sich die Frauen in absoluten Lebenskrisen befinden, könne man oft nicht weiterhelfen, weil es einfach zu wenig Unterkunftsmöglichkeiten für wohnungslose Frauen gibt. Außer bei der Diakonie gibt es in Mönchengladbach noch ein Angebot des Sozialdienstes der katholischen Frauen. Dort sei aber auch gerade alles belegt, sagt Brigitte Bloschak. Und dann ist da noch die städtische Notunterbringung für Frauen an der Straße Luisental in Geistenbeck. Doch die sei viel zu weit weg von Beratungsstelle, Jobcenter und anderen Anlaufstellen. „Frauen, die kein Geld in der Tasche haben, wissen gar nicht, wie sie dorthin kommen“, sagt Bögner. Außerdem sei die Notunterkunft einem Flüchtlingsheim angeschlossen. „Viele Frauen wollen dort nicht hin. Darüber haben wir schon mit der Sozialdezernentin und der Politik gesprochen“, sagt der Geschäftsführer des Diakonische Werks, Heinz Herbert Paulus.

Früher seien Frauen, die ihre Wohnung verloren haben, eher im fortgeschrittenen Alter gewesen, sagt Anna Bögner. „Da war zum Beispiel die Näherin, deren Job mit dem Niedergang der Textilindustrie gestrichen wurde“, berichtet die Sozialpädagogin. Heute seien auch häufig junge Frauen betroffen. In Mönchengladbach gebe es viele Menschen ohne Berufsausbildung, auch viele Landzeitarbeitlose. Aber auch der angespannte Wohnungsmarkt in der Stadt spiele eine Rolle beim Thema Obdachlosigkeit.

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