Geschichte: Kritischer Blick auf Heimatdichter

Eine Straße mit dem Namen von Künstlern wie Heinrich Lersch oder Generälen wie Lettow-Vorbeck ist manchen der Ehre zu viel.

Mönchengladbach. „Ehre, wem Ehre gebührt“ — dieser Grundsatz gilt eigentlich für Straßennamen. Wenn hier ein Mensch namentlich verewigt wird, dann wird heutzutage sehr genau hingeschaut. Dann geht es nicht nur um Verdienste, die denjenigen dafür empfehlen könnten, sondern um seine ganze Vergangenheit. Was das angeht, ist der 1889 in Mönchengladbach geborene Heimatdichter Heinrich Lersch jetzt in den Blick von Historikern geraten. Seine Name ziert schon viele Jahre ein Schild einer Seitenstraße der Neusser Straße in Lürrip.

Wenn Stadtexperten heutzutage prüfen, ob ein Politiker, Künstler oder anderweitig Engagierter einer Straße seinen Namen geben soll und darf, dann liegt das Hauptaugenmerk dabei vor allem auf der Zeit der Weltkriege. Historiker prüfen beispielsweise, falls der Betreffende zu Zeiten des Nationalsozialismus schon lebte, ob er nicht vielleicht doch am braunen Mob, menschenverachtender Hinterzimmerpolitik oder tödlicher Forschung beteiligt war.

Aber auch nachträglich werden solche Fragen immer wieder aufgeworfen, die die Vergabe von Straßennamen in der Geschichte einer Stadt noch einmal aus heutiger Sicht betrachten. Auch in Mönchengladbach wurde immer wieder der ein oder andere Straßenname von unterschiedlicher Seite kritisiert. Beispiel: Lettow-Vorbeck-Straße. Seit Jahren geistert sie immer wieder als Reizthema durch die lokale Politik. Die Grünen hatten zuletzt einen weiteren Vorstoß gewagt, im Bemühen den General vom Straßenschild zu bekommen.

Seitdem — dem 10. November 2011 — warten sie auf eine Antwort der Verwaltung, ob für Lettow-Vorbeck in Mönchengladbach das gilt, was jetzt in Hannover und Wuppertal zu einer Umbenennung einer Straße führte: dass er im Feldzug in Ostafrika im Ersten Weltkrieg „persönliche schwerwiegende schuldhafte Handlungen“ verantwortlich war.

Weitere Beispiele wären Bundeskanzler Bismarck und Reichspräsident Hindenburg, die auch in der Vitusstadt im Stadtplan an zentraler Stelle verewigt sind. Auch ihre Straßen- beziehungsweise Platznamen waren in Mönchengladbach schon in der Diskussion. Als Idee aus der Gladbacher SPD heraus könnte es nun eine Art historisches Straßenkataster für die Stadt geben. Vorbild ist Münster.

Dort will der Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU) nun den Hindenburgplatz umbenennen. Die Begründung: Der Reichspräsident und sieben andere Namensgeber für andere Straßen hätten die Nazis unterstützt. Das sei keiner Erinnerung wert.

Der OB der Universitätsstadt in Westfalen hatte es sich dabei zuvor nicht leicht gemacht. Historiker prüften Straße um Straße mit der Frage, ob die Ehre denjenigen gebührt, die sie einst bekamen. Historikerkommissionen tagten. Die Bürger wurden befragt. Über den Hindenburgplatz entscheidet am 21. März der Münsteraner Stadtrat.

Was den Mönchengladbacher Lersch angeht, sind die Meinungen der Geschichtsforscher in Münster geteilt. Die Empfehlung der Historikerkommission ist: keine Umbenennung. Interessant sind dabei aber die Gründe. Lersch, dessen Name in Münster 1938 auf „polizeiliche Anordnung“ des damaligen Oberbürgermeisters und NSDAP-Mitglieds Albert Hillebrand auf ein Straßenschild gehoben wurde, sei erstens kein Parteimitglied gewesen. Zweitens sei sein Werk „nicht zu hoch zu bewerten“.

Lersch war nach aktuellem Sachstand Mitglied der Hitlerjugend (HJ) gewesen und 1935 in die NSDAP eingetreten. Zwei Jahre zuvor hatte der ehemalige Handwerker die Berufung in die von Juden „gesäuberte“ Deutsche Akademie der Dichtung angenommen. Für die Münsteraner Historiker ein „öffentliches Bekenntnis zum Nationalsozialismus“.

Erkenntnisse wie diese, aber auch die Hintergründe zu Lettow-Vorbeck oder Carl Diem gehören für Reinhold Schiffers, Bezirksvertreter Nord (SPD), in ein Straßenkataster, wie es sich seine Partei vorstellt. „Das wäre der erste Schritt. Erst der Nächste wäre dann die Bewertung und die Frage, ob sich deshalb etwas ändern müsste.“

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