Geburten im blauen Dunst

Die Mönchengladbacher bekommen mehr Kinder. Aber fast jedes fünfte Baby ist durch Nikotin-Missbrauch der Schwangeren gefährdet.

Mönchengladbach. "Grund zur Zuversicht" - so hatte Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen ihren jüngsten Familienreport, angesichts der seit 2007 ansteigenden Geburtenzahlen, genannt.

Ein Aufwärts-Trend, den es in Mönchengladbach offensichtlich schon seit drei Jahren gibt. Aber die Zahlen sind nur unter Vorbehalt zu deuten und haben nichts mit der Bevölkerungsentwicklung der Stadt zu tun.

Denn während die Summe der in Mönchengladbach geborenen Kinder seit Jahren steigt, befindet sich die Zahl der Kinder, die nach der Geburt auch in der Stadt wohnen seit 1992 (3.078) kontinuierlich im Sinkflug (2007: 2.198). Ob sich der Trend 2008 umgekehrt hat, konnte dasAmt für Statistik noch nicht sagen.

Es kommen einfach mehr Frauen zur Geburt aus dem Umland in die Gladbacher Kliniken.

Harald Lehnen, Chefarzt der Frauenheilkunde im Elisabeth-Krankenhaus, sagt: "Wir haben einen Geburtenanstieg im Elisabeth-Krankenhaus. Aber das ist kein markanter Durchbruch. Vielmehr wurde nur der freie Fall aufgehalten." Die Prognose, dass die Deutschen im anstehenden Krisenjahr wieder weniger Kinder zeugen könnten, unterstützt Lehnen nicht: "Vielleicht haben sie wieder mehr Zeit füreinander und besinnen sich auf den Wert der Familie zurück."

Dem Chefgynäkologen macht eine andere Sache Sorgen: In Mönchengladbach werden im Landesvergleich drei Prozent weniger Babys mit einem Gewicht von über 4.000 Gramm geboren. Und das, obwohl der Anteil der an Diabetes erkrankten Mütter, deren Kinder zur Leibesfülle neigen, mit 5,2 Prozent über dem Landesdurchschnitt liegt.

Eigentlich eine gute Nachricht, doch die Ursachen sprechen eine andere Sprache. Bei 18 Prozent der Neugeborenen galt Rauchen als Schwangerschaftsrisiko - in NRW sind es nur 11,9 Prozent. "Die Mütter rauchen sich ihre Kinder klein", sagt Lehnen, bei dem die Alarmglocken läuten.

"Die Gefahr für das Kind, im Mutterleib zu sterben, ist bei einer rauchenden Schwangeren 36-mal höher als normal." Der Nikotin-Missbrauch führe zu Durchblutungsstörungen und damit zur Unterversorgung des Kindes. "In der Folge neigen diese Babys wieder dazu, zuckerkrank zu werden, da Mangelkinder nach der Geburt aufgepäppelt werden", sagt Lehnen. Ein Teufelskreis.

Um das Problem einzudämmen versuchen Lehnen und sein Team, frühzeitig auf die werdenden Mütter einzuwirken - meist ohne Erfolg. "Ich mache das seit 25 Jahren, da können sie sich auch mit ihrem Spiegel unterhalten." Meist seien es Mütter aus den sozial schwächeren Schichten, die einfach nicht mit dem Rauchen aufhören könnten und nicht so sehr auf sich und ihr Kind achteten.

Anders sei das bei den Paaren die sich künstlich befruchten lassen, weil das Kinderkriegen auf natürlichem Weg nicht klappt. "Die meisten dieser Mütter leben unglaublich diszipliniert." In den vergangenen acht Jahren wurden im Eli 69 künstlich befruchtete Zwillinge zur Welt gebracht. "Die würden unserer Gesellschaft jetzt fehlen", sagt Lehnen. Eine staatliche Förderung von künstlicher Befruchtung würde er begrüßen. Ganz im Sinne von Ministerin von der Leyen.

Eine echte Trendwende zu mehr Nachwuchs brächte aber auch diese Maßnahme wohl nicht. "Aber es würde vielen Paaren großes Leid ersparen", sagt Lehnen.

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