Esel erobern den Sonnenhausplatz

Die Skulpturen des Ensembles „Donkey’s Way“ wurden jetzt montiert. Am 18. September wird Eröffnung gefeiert.

Esel erobern den Sonnenhausplatz
Foto: Titz

Das Eselchen baumelt an einem Tragegurt über dem glitzernden Asphalt. Die Hufe schweben einige Zentimeter über den Löchern mit den Fundamenten, in die sie in Kürze verschweißt und dann einbetoniert werden. Die Ohren sind spitz aufgestellt, ganz so, als lausche das Tier der Geräuschkulisse rund um den Sonnenhausplatz. Denn die ist beträchtlich: Hier und da wird der frisch verlegte Bodenbelag mit Presslufthämmern schon wieder aufgerissen, unter anderem, weil noch Lampen eingesetzt werden. Bagger und Baustellenfahrzeuge schieben Absperrbaken hin und her. Dem Esel scheint’s aber zu gefallen: Er sieht ganz fröhlich aus. „Hier ist ja Leben drin, in meiner neuen Heimat“ — so lässt sich sein Gesichtsausdruck interpretieren.

Rita McBride, Künstlerin

Der Gesichtsausdruck von Rita McBride, der Schöpferin der sieben Bronze-Esel, die auf dem Sonnenhausplatz montiert wurden, bedarf weniger Interpretation. Die amerikanische Künstlerin, Direktorin der Düsseldorfer Kunstakademie, wirkt hochzufrieden, gelöst beinahe, als sei eine Last von ihr abgefallen. „I always wanted to make donkeys“, sagt sie — sie habe schon ihr gesamtes Künstlerleben auf die Gelegenheit gewartet, etwas mit Eseln zu machen, und das Motiv in ihrer Arbeit zuvor noch nicht verwendet. Und hier, in Mönchengladbach, habe sich nun der perfekte Moment dafür ergeben. „I love MG“ steht auf dem Jutebeutel, den die Künstlerin trägt, das „O“ ist — natürlich — ein kleines Eselchen.

Das Skulpturen-Ensemble mit dem Namen „Donkey’s Way“ wurde in einer Neusser Werkstatt vorbereitet und in einer niederländischen Gießerei geformt. Rund sechs Monate hat der Prozess gedauert, unter Zuhilfenahme traditioneller Handwerksarbeit. Ein Lkw hat sie nach Mönchengladbach gebracht. 105 Kilo wiegen die Kunstwerke jeweils, ihr Stockmaß beträgt 1,05 Meter. Das vielleicht Wichtigste: Sie wurden alle individuell gestaltet, können für den Betrachter eine Art Persönlichkeit entfalten. Da gibt es beispielsweise ein Eselchen, das die Ohren anliegen hat. Das sei eine Aufforderung, Freundschaft zu schließen, sagt Rita McBride: „I want to be friends.“

Dann spricht sie über den Architekten und Stadtplaner Le Corbusier, dessen Werk ihr in den letzten „30 bis 40 Jahren“ ein steter Quell der Inspiration gewesen sei. Der plädierte für die strikte Trennung von Wohnen, Arbeiten und Einkaufen, für eine rechtwinkelige Stadtplanung — und äußerte sich mehr oder weniger kritisch über den Esel, der mit seinen Zickzack-Laufwegen des geringsten Widerstandes vor Hunderten von Jahren das Wegenetz prägte, das vielfach bis heute Bestand hat. Und somit mehr oder weniger auch die mittelalterliche Stadt erfand — für Le Corbusier sollte der moderne Mensch aber geradeausgehen, ihm waren die Stadtpläne zu gewunden. Rita McBride sieht das anders. „Die Wege der Esel sind auch die Wege der Menschen“, sagt sie, „und die gehen nun mal nicht geradlinig.“ Sie trinken hier einen Kaffee, kaufen dort etwas ein, gehen kreuz und quer, um auf der anderen Straßenseite für ein Pläuschchen oder an einem Schaufenster stehenzubleiben. Vor diesem Hintergrund, sagt der Düsseldorfer Kurator Markus Ambach, sei „Donkey’s Way“ auch ein Plädoyer für eine nutzerorientierte Stadtplanung.

Susanne Titz, Direktorin des Museums Abteiberg, spricht von „Kunst vor dem Bau statt Kunst am Bau“. Denn bezahlt hat das Ensemble Unibail Rodamco, ehemals Mfi, der Erbauer und Betreiber des Minto. Und auf Letzteres nimmt es auch Bezug, ein wenig zumindest: Denn zum Kunstwerk gehören auch noch sieben leuchtende, geschwungene Linien, die sich spätestens zur Eröffnung am 18. September über den Platz winden werden — und auf Orte wie Minto, Museum und Volkshochschule verweisen. Auch sie zeichnen Esels-Wege nach. Der Esel, sagt Susanne Titz, repräsentiere somit eine praxisorientierte Klugheit, die auf Kontext und Lebensumstände reagiert, anstatt sich über sie hinwegzusetzen, und werde zum Symbol einer offenen Stadt, die Bürgern zuhört, anstatt rigiden Planungsentwürfen zu folgen. Titz kann es kaum erwarten, dass alles fertig ist: „Es ist spannend zu sehen, wie das Ensemble vor Ort wirken wird — vor allem, wenn man sich dann noch vorstellt, wie die Bäume bald schon gewachsen sein werden.“

Der Esel ist also hinlänglich erklärt. Er ist „in Gladbach als Tier zuletzt sogar komplett durchleuchtet worden. Spannend!“, befindet Ambach. Aber warum die Zahl sieben? Es sei ihre Glückszahl, sagt McBride, mit der sie in ihrem Werk des Öfteren spiele, zumal habe sie auch religiöse Relevanz. Sie wolle aber auch nicht zu viel ins Kunstwerk hineingelesen wissen. „Es soll sich jeder seine eigenen Gedanken dazu machen“, sagt sie. Ob sie will, dass die Gladbacher sich auf ihre Eselchen setzen, auf ihren Rücken durch die Stadt reiten? „I want people to enjoy the donkeys“, antwortet sie, man soll Spaß an ihnen finden. „Donkey’s Way“ bleibe ein als solches zu respektierendes Kunstwerk, stehe aber eben auch im öffentlichen Raum: „Die Menschen werden ihren eigenen Zugang finden.“

Einen ersten neuen Freund haben die Esel schon gefunden. Während sie montiert werden, wird im Modegeschäft Ell’a am Sonnenhausplatz eine Esels-Zeichnung im Schaufenster aufgehängt. „Das hat ein Freund von mir gemalt. Wir begrüßen damit die sieben Esel“, sagt Geschäftsführerin Michaela Noever.

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