Es geht nicht zum Nulltarif

Angestellte der Stadt-Sozialdienste gehen auf die Barrikaden.

Mönchengladbach. Unglaubliche 75 Familien betreut eine Angestellte des Stadt-Jugendamtes pro Monat. Im Jahr 2006 waren es noch 45 Familien. Und das sei schon schwer zu machen gewesen. "Viele sind einfach überlastet", sagt Verdi-Gewerkschaftssekretärin Sabine Uhlenkott.

Deshalb hat sie mit anderen Gladbachern, die im sozialen Dienst tätig sind, einen Arbeitskreis gegründet. Das große Ziel: "Wir wollen Einfluss nehmen auf die Verhandlungen von Verdi mit den Arbeitgebern." Verdi fordert Anerkennung durch gute Bezahlung und betriebliche Gesundheitsförderung.

In der letzten Zeit habe sich im Gehälterdschungel der Dienstleister so einiges getan. Jeder Angestellte wird in Stufen und Gruppen eingeteilt. Das alte System sah mit den Jahren Aufstiegsmöglichkeiten vor. Jetzt ist das anders. "Wenn jemand den Arbeitgeber wechselt, muss er unter Umständen mit 500 Euro weniger Gehalt rechnen", so Uhlenkott.

Der Hintergrund: Im neuen Gehaltssystem wird auch ein Mensch mit jahrelanger Berufserfahrung wie ein Neuling eingeordnet, wenn er einen Arbeitgeber hat. "Wenn man dann einmal in einer Gruppe ist, hat man keine Aufstiegsmöglichkeiten. Wenn ich in der Gruppe beginne, ende ich auch in der Gruppe", regt sich Vera Wagner, eine Kindergarten-Leiterin, auf. "Es kann nicht sein, dass jemand mit langer Erfahrung das gleiche Gehalt bekommt wie einer, der frisch von der Uni kommt", sagt Lydia Strüwel erbost über die Neuregelung.

Dabei begnügten sich die Angestellten eh schon mit einem vergleichsweise kleinen Gehalt. Wagner: "Wir machen alle gerne unseren Job, aber es geht nicht zum Nulltarif. Viele müssen nebenbei noch arbeiten gehen."

Bei all dem Stress lassen Beschwerden nicht lange auf sich warten. "Die Zahl der Kolleginnen, die psychisch nicht mehr können, ist stark gestiegen", so Verdi-Frau Uhlenkott. Häufig würden Frauen und Männer während der Arbeitszeit sogar bedroht. "Im Stadt-Jugendamt haben wir auch mal mit Eltern zu tun, die aufgebracht sind, weil wir uns sozusagen in ihr Familienleben einmischen. Da sind auch schon mal Kolleginnen im Büro angegriffen worden."

Ein Alarmierungssystem gebe es nicht, sagt Strüwel und blickt nach vorne: "Es ist nicht richtig, dass gerade diese Bereiche so stiefmütterlich behandelt werden. Die Kinder, die Jugendlichen, mit denen wir arbeiten, gestalten immerhin unsere Zukunft."

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