Ernährung: Ackerhelden gießen selbst

Auf dem Hof von Biobauer Brungs bauen 20 Familien ihr eigenes Gemüse an.

Mönchengladbach. Der Acker liegt in der Sonne. 25 Reihen mit noch winzig kleinen Pflänzchen ziehen sich über das Areal, das mit Bändern in 20 Einheiten à 400 Quadratmeter eingeteilt ist. Noch ist es kaum vorstellbar, dass hier einmal Kartoffeln, Gurken und Erbsen wachsen sollen.

Nur ein Paar hockt an diesem späten Nachmittag auf seiner Parzelle und hackt fleißig Unkraut: „Die kleinen Holzstöckchen zeigen uns, in welcher Reihe Gemüse und in welcher Wildpflanzen wachsen“, erklärt Werner Vierten.

Er zeigt auf den Pflock mit der Nummer 28, der vor seinem Areal eingeschlagen ist und verkündet stolz: „Das ist unsere Parzelle.“ Weil im Mai zu viel Regen kam, hat die Gemüsesaison gerade erst angefangen. Erst seit Anfang Juni sind Werner Vierten und seine Frau zu Ackerhelden geworden.

Auf dem Hof von Biobauer Brungs in Venn bauen sie gemeinsam mit bisher 20 Mitstreitern ihr eigenes Gemüse an: „Tomaten, Möhren, Radieschen, Salate, Kohlsorten, Zwiebeln“, Werner Vierten zählt auf, was seine Familie bis Ende November ernten kann. Damit werde ihr Gemüsebedarf zwar nicht vollständig gedeckt: „Aber es ist ein Grundstock“, findet der Venner Ackerheld.

Zwei junge Unternehmer aus Essen haben die Idee in diesem Jahr nach Mönchengladbach gebracht. Ihr Prinzip ist die Zusammenarbeit mit einem Bauern, der garantiert zertifiziertes Biogemüse anbaut. Sie mieten Land von ihm an und vermitteln es an Ackerhelden vor Ort: „Uns ist es wichtig, den Menschen wieder ein Bewusstsein für das zu vermitteln, was sie essen“, sagt Tobias Paulert, gemeinsam mit Birger Brock seit Ende 2012 im Geschäft.

Sie setzen auf regionalen und saisonalen Gemüseanbau und wollen mehr Ackerflächen zur chemiefreien Zone machen. Der Bauer pflanzt an und sorgt für den regelmäßigen Nachschub.

248 Euro zahlen die Ackerhelden pro Saison. Werner Vieten hat nachgezählt. Das seien knapp 48 Euro für Gemüse im Monat. Dafür nehmen die Hobbygärtner Kohlrabi in Kauf, der vielleicht eine Macke hat und Gurken, die nicht ganz gerade gewachsen sind: „Es macht einfach Spaß selber zu ackern“, findet der Ackerheld. Er tritt damit in die Fußstapfen seines Vaters, der heute noch das eigene Beet bestellt.

Das Ehepaar Vieten begeisterte sich für die Idee, nachdem die Kinder aus dem Haus sind. Sie suchten im Internet und stießen per Zufall auf die Ackerhelden: „Ein guter Ausgleich zum Bürojob“, freut sich Werner Vieten auf viele Stunden Arbeit mit Gießkanne und Harke. Es sollen ein bis zwei pro Woche sein.

Familie Ehlers kommt mit dem Auto aus Neuwerk, um auf ihrer Parzelle nach dem Rechten zu sehen: „Unser Sohn soll erfahren, dass Gemüse nicht in der Kühltruhe wächst und Möhren lange brauchen, um zu wachsen“, erklärt Anke Ehlers, derweil ihr Vierjähriger mit seiner grünen Gießkanne die Pflänzchen mit Wasser versorgt.

Das Wissen, woher Pastinaken, Rote Beete und Co. kommen, fehle bereits bei vielen Kindern, glaubt auch Tobias Paulert. Daher das Angebot seines Unternehmens an alle Schulklassen, kostenlos ein Areal zu nutzen und zu Nachwuchsackerhelden zu werden.

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