Eli schlägt Alarm: Überforderte Eltern, misshandelte Kinder

In einem Jahr wurden im Zentrum für Jugendmedizin hundert Fälle von Gewalt und Vernachlässigung entdeckt.

Mönchengladbach. Kinderfüße mit Verbrühungen, Babys mit gebrochenen Beinen, ausgemergelte Kleinkinder. Immer mehr Fälle von Kindesmisshandlung, sexuellem Missbrauch und Vernachlässigung gibt es in Mönchengladbach nach Einschätzung von Professor Dr. Wolfgang Kölfen.

Sieben bis zehn nachweisbare Fälle zählt allein das Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin der Städtischen Kliniken monatlich, etwa hundert im Jahr sind es nach der neuesten Bilanz.

Das ist viel, aber nur die Spitze des Eisbergs. "Viele Fälle bleiben offen", bedauert Chefarzt Kölfen. "Man kann Unfälle und Misshandlungen nicht immer klar unterscheiden." In einigen Fällen aber gibt es keine Zweifel. "Wenn ein zwei Monate altes Baby mit einem gebrochenen Oberschenkel zu uns gebracht wird und die Mutter fadenscheinige Erklärungen liefert, ist die Kindesmisshandlung recht eindeutig", sagt Kölfen.

Die Ärzte wenden sich in einem solchen Fall ans Jugendamt, das prüfen muss, ob das Baby wieder in die Obhut der Mutter gegeben werden kann. Risikoabschätzung nennt sich das. Im geschilderten Fall gerät der Freund der Mutter unter den Verdacht, das Baby misshandelt zu haben. Das Jugendamt befürchtet eine weitere Gefährdung des Babys und entzieht das Sorgerecht. Die beiden älteren Kinder, bei denen keine Spuren von Misshandlungen gefunden werden, bleiben bei der Mutter.

In 40 bis 50 Prozent der Fälle erhärtet sich der Verdacht auf Misshandlung. Sie sei, sagt Kölfen, ein Angriff auf die gesamte Persönlichkeit des Kindes. Die Misshandelten leiden ein Leben lang unter den Folgen: Es kommt zu sozialen und emotionalen Störungen, körperlichen Krankheiten, Depressionen und Suizidgefahr.

Gestützt auf Zahlen aus den USA schätzt der Chefarzt der Kinder- und Jugendklinik die Zahl misshandelter Kinder in Mönchengladbach auf 2500 bis 5000. Hinzu kommen noch 5000 bis 10000 Kinder, die vernachlässigt werden. "Wir haben es bei Vernachlässigung meist mit überforderten Eltern zu tun, denen das Jugendamt mit regelmäßigen Besuchen von Sozialarbeitern helfen kann", sagt Kölfen.

Die Stadt investiert immer mehr Geld in die Jugendhilfe, im kommenden Jahr werden es 42 Millionen Euro sein. Gleichzeitig scheint aber auch die Zahl der Misshandlungen und Vernachlässigungen anzusteigen. Kölfen sieht in der Prävention den Königsweg: "Wer nicht in Vorbeugung investiert, löst eine Kostenlawine aus."

Am Donnerstag, 10. September, 19 Uhr, hält Kölfen einen Vortrag zum Thema in der Personalcafeteria des Elisabeth-Krankenhauses, Hubertusstraße 100.

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