Mönchengladbach Die junge Generation strandet im Museum Abteiberg

Das Museum Abteiberg in Mönchengladbach beweist in der ungewöhnlichen Ausstellung „Von den Strömen der Stadt“, wie sich die Jugend ihre eigenen Welten schafft.

Mönchengladbach: Die junge Generation strandet im Museum Abteiberg
Foto: Henning Fehr und Philipp Rühr

Mönchengladbach. Susanne Titz hinterfragt seit ihrem Amtsantritt als Direktorin des Museums Abteiberg im Jahr 2004 das Verhältnis zwischen ihrem Haus und der Stadt. Seit drei Jahren untersucht und gestaltet sie mit dem Projekt-Erfinder Markus Ambach den öffentlichen Raum im Museum, museumseigenen Garten und in der Umgebung. Ihre Partner sind Künstler unter 35 Jahren. Sie will wissen, was ihnen im Zeitalter der sozialen Medien der private wie der öffentliche Raum bedeutet? Wie denkt die junge Generation? Manche Antworten in der Ausstellung „Von den Strömen der Stadt“ erstaunen.

Henning Fehr und Philipp Rühr, Absolventen der Düsseldorfer Kunstakademie, widmen sich in ihrer Trilogie „Polyrhythm Technoir“ der neueren Jugendkultur, speziell der Techno-Szene. Sie untersuchen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der elektronischen Musik im Spätkapitalismus, beleuchten die diversen Parallelwelten im gelebten Alltag der Jugend und üben Kritik an den merkantilen Verzauberungen.

Was im Zusammenhang der Ausstellung an ihrem Werk interessiert, sind die kollektiven Formen von Gemeinschaft in Wäldern, Wüsten, verlassenen Industrieruinen und an Stränden. Die Jugend schafft sich ihre eigenen Orte, und zwar blitzschnell und immer wieder neu. Und das Duo Fehr & Rühr bleibt außen vor und dokumentiert zugleich. Als Betrachter können wir uns fragen, wo das Video die Gegenwart dokumentiert und wo es sich in Fiktionen übt.

Bei unserem Besuch im Museum tauchten die Studenten Tomas Kleiner und Marco Biermann auf, die gerade in der Klasse von Gregor Schneider an der Kunstakademie in Düsseldorf gelandet sind. Sie erklärten klipp und klar: „Wir verschränken die privaten und die teilöffentlichen Räume. Der öffentliche Raum ist ja längst nicht mehr nur die Straße.“ In ihrem Video filmen sie einen Fuß mitsamt schwarzem Hosenbein in der Badewanne, als solle der Fuß geduscht werden. Sie waren durch die Privaträume von Gladbacher Bürgern getingelt und zeigen nun die Ergebnisse. Ihr Kommentar: „Wir machen die privaten Szenen öffentlich, indem wir sie im Museum zeigen.“ Ihrer Meinung nach gebe es keine Grenze mehr zwischen dem öffentlichen und dem privaten Raum.

Über den Museumstoiletten hat das Studio for Propositional Cinema den Satz geklebt: „Der Besucher erklärt sich bereit, gefilmt und/oder fotografiert zu werden, und verzichtet aufs Recht auf sein eigenes Bild.“ Sie posaunen ihr Alter Ego nach draußen. Britta Thie präsentiert fünf verschiedene Arten des Alter Ego, als Profi-Model und als Künstlerin. Die Kuratoren sagen: „Der permanente Zwang zur Selbstveröffentlichung und Selbstoptimierung des Lebens verwandelt das Leben der Akteure heute in eine skurrile Dauerperformance.“ So kämpfen die Studenten Isabella Fürnkäs und Lukas von der Gracht mit sich selbst, während sie das Handy in der Hand halten und sich filmen. Die „Selbstveröffentlichung“, wie es Markus Ambach nennt, wirkt immer auch extrovertiert.

Die Kuratoren gingen wie Wünschelruten durch die junge Szene und hatten dabei immer die Frage im Hinterkopf, wo sich angesichts einer totalen Öffentlichkeit in Social Media, Netzwerken und Datenarchiven noch intimere Resträume befinden. Die Schnittstellen zwischen öffentlich und privat, politisch und ökonomisch, Gesellschaft und Individuum sind kaum noch auszumachen.

Letztlich bietet die Ausstellung vor allem in den Videos ein Vexierspiel zwischen dem Künstler und dem gesellschaftlichen Umfeld. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang die Figur des Helge Achenbach, der im Film von Alex Wissel und Jan Bonny durch das Museum geistert. Filmsequenzen wurden unter diversen Rollenspielern aufgenommen.

Der einst wichtigste Macher in der Kunstwelt erscheint hier nach dem traumatischen Erlebnis im Knast als der frustrierte einsame Held, abgehalftert, aber immer noch bereit, den jungen Frauen nachzulaufen. Die köstlichste Szene mit Matthias Brandt spielt im Brunnen des Larry Bell inmitten des Museums-Parks, wo sich eine besoffene Gesellschaft ihr Stelldichein gibt.

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