Das kann Gladbach von Kopenhagen lernen

Die dänische Hauptstadt ist in vielen Bereichen Vorreiter, in denen Gladbach im kommenden Jahr zulegen will und muss.

Das kann Gladbach von Kopenhagen lernen
Foto: Thomas Steen Sørensen

Wenn ein Bild tatsächlich mehr sagt als tausend Worte, bedarf es keiner komplexen Schaubilder, um die vielzitierte Fahrradfreundlichkeit Kopenhagens aufzuzeigen. Dann genügt ein einziges Detailfoto von einem Fahrradparkplatz, der zu einer Start-up-Schmiede am Indiakaj unweit der „Kleinen Meerjungfrau“ gehört. Es zeigt Abstellbügel, die auf Höhe des Sattels mit gewölbten Blechen überdacht sind — damit die radelnden Mitarbeiter bei Regen und Schnee keinen nassen Po bekommen. Genial einfach und irgendwie einfach genial. Hält man dann die viel zu eng stehenden Fahrradbügel dagegen, die im Herbst zunächst entlang der Hindenburgstraße platziert wurden, hat man einen guten Eindruck davon, wo radfahrerfreundliches Denken Usus ist — und wo daran noch gefeilt werden muss.

Das kann Gladbach von Kopenhagen lernen
Foto: tler

Doch nicht nur in Sachen Radverkehr hat Kopenhagen eine Vorbildrolle. Einige Beispiele:

Kopenhagen ist die unumstrittene Fahrrad-Welthauptstadt. Es gibt Hunderte Kilometer Radwege, die oft die großen Autostraßen säumen oder separat verlaufen, vielfach mehrspurig und mit eigenen Ampelanlagen versehen sind, dazu gigantische „Fahrradbahnhöfe“ an zentralen Stellen. Mehr als ein Drittel aller Pendlerwege werden per Rad zurückgelegt, bis 2026 sollen es 50 Prozent sein. Radschnellwege aus dem „Speckgürtel“ in die Hauptstadt sind in Planung, es gibt ein Bike-Sharing-System, bei Stadtplanung genießt Radverkehr mittlerweile Priorität. Und im November wurden in der Stadt erstmals mehr Fahrräder als Pkw gezählt.

Dieser Kulturwandel jedoch — noch in den 1970ern war auch Kopenhagen reine Autostadt — ist nicht zuletzt Resultat massiver Anstrengungen und millionenschwerer Investitionen in die Infrastruktur, die bis in die frühen 1980er zurückreichen und Bestandteil der Strategie sind, die zentrale Innenstadt binnen einer Dekade autofrei zu gestalten.

Für eine Stärkungspakt-Kommune wie Mönchengladbach ist das alles nicht kopierbar. Was aber durchaus als Inspiration dienen könnte, sind die vielen kleinen Dinge, die Kopenhagens Radfahrern das Leben erleichtern. Schneit es, werden zuerst die Radwege geräumt, erst danach die Straßen — das hat der Stadtrat so festgelegt. Die Radspuren sind sowohl von der Straße als auch vom Gehweg baulich abgetrennt, in der Regel durch Bordsteine — was auch das Absteigen und das Warten bei Rotlicht erleichtert. Und dann sind da ja noch besagte Haltebügel mit „Sattel-Dach“.

Seit Jahren geistert die Idee einer Markthalle auf dem Kapuzinerplatz durch Gladbach. In der Nähe des Kopenhagener Bahnhofs Nørreport wird idealtypisch gezeigt, wie man so ein Projekt umsetzt. Auf 2500 Quadratmetern, verteilt auf zwei von Tageslicht durchflutete Hallen aus Glas und Stahl, eröffneten 2011 die „Torvehallerne“ — auf einem zuvor leeren und in erster Linie bei Dealern beliebten Platz. Darin finden sich mehr als 60 hochwertige Ladenlokale, von Cafés über Frischfleisch-Verkäufern bis hin zu Anbietern von Gourmetschokolade und exotischen Gewürzen. Auf der Freifläche zwischen den Hallen sind weitere Marktstände und Sitzplätze. Höchster Wert wird auf lokal und fair produzierte Produkte gelegt. Ob so etwas auch in Gladbach funktionieren würde? In Verbindung mit der Neugestaltung des Maria-Hilf-Areals möglicherweise. Indes: Selbst in Kopenhagen dauerte die Umsetzung 14 Jahre und war das Projekt 2008 im Zuge der Finanzkrise fast tot.

Gladbach hat sich auf die Fahnen geschrieben, den Tourismus zu stärken. Auch wenn die Übernachtungs- und Besucherzahlen seit Jahren steigen, kann und wird das nie bedeuten, dass Menschenmassen für drei Wochen am Stück nach Gladbach reisen — es wird immer die Rede von Tagestouristen sein sowie von Businessgästen und Veranstaltungsbesuchern, die sowieso in der Stadt sind und besser als bisher „abgeholt“ werden müssen. Auch unter touristischen Gesichtspunkten zeigt Kopenhagen, wie man Besucher möglichst komfortabel, einfach und zielgerichtet umsorgt — mit der „Copenhagen Card“. Das Kärtchen bietet freien Eintritt in 75 Museen und Sehenswürdigkeiten, kostenlose Beförderung mit dem ÖPNV und zahlreiche Rabatte auf Attraktionen, Restaurants und Aktivitäten. Für drei Tage kostet die Karte pro Person umgerechnet 85 Euro — kein Pappenstiel, sie rentiert sich aber schnell. Wie könnte so ein Angebot nun für Gladbach aussehen — beziehungsweise die Region? Eine Rabattkarte, die nun beispielsweise die ÖPNV-Nutzung im VRR beinhaltet, den Eintritt in die Skihalle Neuss sowie den Krefelder Zoo umfasst und zusätzlich zur Stadionführung im Borussia-Park und zum Besuch des Museums Abteiberg und der Gladbacher Schlösser einlädt, würde den Tourismus innerhalb der Region zweifelsohne stärken.

Kopenhagen ist, wie ganz Dänemark, bei aller nordischen Kühle dafür bekannt, „hyggelig“ zu sein — „gemütlich“, „angenehm“, „Geborgenheit ausstrahlend“ also in etwa. Davon sind der Niederrhein mit seiner Betonung von Brauchtum und Zusammengehörigkeitsgefühl und speziell Gladbach mit seinem vielfältigen Engagement für das Gemeinwohl gar nicht weit entfernt. Auf der anderen Seite zeigt sich immer wieder, dass Einzelne ihre Zerstörungswut an dem auslassen, was viele erfreut — seien es Eselsschwänze, Fotoausstellungen oder Karnevalswagen. Vielleicht ist es an der Zeit, mal neue Formen des Zusammengehörigkeitsgefühls auszuprobieren — und sie den Bürgern bewusst zu demonstrieren. In Kopenhagen etwa entzündet der Weihnachtsmann jedes Jahr feierlich den großen Baum vor dem Rathaus. Das jedes Mal gleichermaßen ein großes Fest. Und ein Opfer von Vandalismus wird der Baum für gewöhnlich nicht.

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