Mehr als 3000 Anträge in Mönchengladbach Immer mehr Firmen in Kurzarbeit

Mönchengladbach. · Mehr als 3000 Anträge auf Kurzarbeit sind bisher bei der Arbeitsagentur Mönchengladbach eingegangen. Für viele Beschäftigte bedeutet das heftige finanzielle Einbußen, wie vier Betroffene vorrechnen.

 Die Zahl der Arbeitslosen nimmt ab.

Die Zahl der Arbeitslosen nimmt ab.

Foto: grafik

Die Zahlen sehen eigentlich gut aus: Weniger Arbeitslose in Mönchengladbach im März als im Februar, und deutlicher weniger als noch ein Jahr zuvor. Die Arbeitsmarktstatistik, die die Agentur für Arbeit am Dienstagmorgen vorlegte, hat aber einen Schönheitsfehler: Die Zahlen haben nicht mehr viel mit der Realität gemein, denn sie sind von vor Beginn der Corona-Krise. Eine andere Zahl, die nicht in der Statistik auftaucht, beschäftigt die Menschen viel mehr: Knapp über 3000 Anträge auf Kurzarbeit sind bisher bei der Arbeitsagentur Mönchengladbach eingegangen. „Im Moment arbeitet ein Großteil unserer Beratungs- und Vermittlungsfachkräfte daran, die Anträge bearbeitungsreif vorzubereiten“, teilte die Agentur mit. „Danach erfolgt die Bewilligung.“ Bis Ende der Woche werden 180 Mitarbeiter der Arbeitsagentur statt wie sonst 20 nur mit Kurzarbeit befasst sein.

Noch ist nicht klar, wie viele Bezieher von Kurzarbeitergeld es geben wird in Mönchengladbach. Die Betriebe werden die Listen der betroffenen Mitarbeiter in der kommenden Woche einreichen, so die Arbeitsagentur. Viele Beschäftigte wissen aber schon Bescheid, Kurzarbeit beginnt für die meisten ab dem heutigen 1. April, und sie trifft es zum Teil sehr hart. Einige von ihnen rechnen unserer Redaktion konkret vor, was Kurzarbeit für sie bedeutet. Sie alle wollen nicht mit ihrem echten Namen genannt werden, dennoch dokumentieren wir hier ihre Fälle.

So wie Rainer Schmitz*. Der 36-Jährige ist Verkäufer in einem Mönchengladbacher Einzelhandelsgeschäft und hat jetzt nichts mehr zu arbeiten. Er bekommt 67 Prozent seines letzten Nettolohns, er und seine Frau haben ein kleines Kind. „Meine Frau verdient zwar weiter normal in ihrem Beruf, aber trotzdem bedeutet das für uns: 500 Euro im Monat weniger“, sagt Schmitz. „Wir haben vor zwei Jahren ein Haus gekauft und haben auch ein Auto finanziert, die Kosten laufen weiter.“

Familie fehlen nun
500 Euro im Monat

Bisher waren nach Abzug der Fixkosten ungefähr 1000 Euro im Monat übrig für den Lebensunterhalt der dreiköpfigen Familie – auskömmlich. „Jetzt fehlt davon die Hälfte.“ Auf seinen Chef will er nichts kommen lassen. „Er kann da gar nichts für, und ich bin froh, dass ich nachher wieder die Chance bekomme, weiterzuarbeiten.“ Trotzdem hat er mit den Banken Verhandlungen aufgenommen. Die Finanzierung fürs Auto wird für drei Monate auf 200 Euro halbiert, der Fehlbetrag muss danach aber wieder innerhalb von sechs Monaten aufgeholt werden.

Jessica Fink* trifft Kurzarbeit noch ganz anders. Sie arbeitet in einem Geschäft im Kreis Heinsberg in einer Teilzeitstelle. Die 29-Jährige bekommt ab April 60 Prozent ihres letzten Nettolohns, und das ist dann deutlich weniger als 1000 Euro. „Das ist dann weniger als Hartz IV“, sagt die Einzelhandelskauffrau. „Natürlich gebe ich jetzt auch weniger Geld aus, weil Shoppen, Kino, Bowling und Freunde treffen geht ja ohnehin nicht. Das wäre aber auch nicht mehr drin. Miete, Kosten für das Auto, Versicherungen und alles andere läuft ja weiter.“ Seit Geschäftsschließung hatte sie Urlaub, und hat die Zeit genutzt, ihre Wohnung in Rheydt zu renovieren.

Nora Herzog* hat Glück: Sie arbeitet in Vollzeit in einer Spielhalle, und sie bekommt 60 Prozent Kurzarbeitergeld. „Als ich das gehört habe, ist mir das Herz in die Hose gerutscht. Mein Arbeitgeber ist aber sehr kulant und stockt das auf 100 Prozent auf“, sagt sie. Verzichten muss sie nur auf Nacht- und Wochenendzuschläge, das sind rund 200 Euro im Monat. „Ich kann alle Zahlungen noch bedienen, aber man weiß ja nicht, wie lange das jetzt so geht.“

Kurzarbeit – das würde sich David Mare* wünschen. Er hat durch die Corona-Krise seinen lange gesuchten Arbeitsplatz ganz verloren. Erst Anfang März hatte der ausgebildete Industriemeister und Zerspanungsmechaniker nach einem halben Jahr Suche einen neuen Job angefangen in einem Betrieb der Metallverarbeitung in Mönchengladbach. Er sollte Messebauten erledigen. Doch die Messen wurden alle abgesagt, und der Chef entließ Mitarbeiter je nach Betriebszugehörigkeit. Er war nach nur wenigen Wochen der erste, der gehen musste. „Es tat ihm sehr leid, aber er hatte keine andere Wahl“, sagt Mare. „Und jetzt ist Ebbe.“ 150 Bewerbungen hat er seit der Entlassung bereits verschickt, aber bisher nur Absagen erhalten oder Rückstellungen erfahren. Einstellen will gerade kaum jemand. Da das Arbeitslosengeld im April für ihn ausläuft bedeutet das für ihn danach: Hartz IV. „Das ist frustrierend, aber darauf darf man sich nicht einlassen“, sagt der 31-Jährige. Er freut sich trotzdem auf den Juli: Dann wird sein erstes Kind geboren.

*Namen geändert.

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