Brasilianer können nicht nur kicken

Antonio Wanderley fiebert nicht nur bei den Spielen der „Seleção“ mit, sondern sorgt für Südamerika-Flair in Gladbach.

Brasilianer können nicht nur kicken
Foto: Kurt Lübke

Mönchengladbach. Antonio Wanderley hat eine Achterbahnfahrt der Gefühle hinter sich. Zusammen mit einigen seiner Schüler der „Grupo Capoeira Brasil“ verfolgte der Mönchengladbacher mit brasilianischen Wurzeln das Auftaktspiel der WM vor dem heimischen Fernseher.

Der ersten Euphorie folgte schnell der Schock in der elften Spielminute: Eigentor von Marcelo. „Ich war mir aber sicher, dass wir das Spiel noch drehen können“, sagt „Professor Sonic“, wie er von seinen Schülern genannt wird. Zum umstrittenen Elfmeter, der in der 71. Minute den 2:1-Führungstreffer der „Seleção“ einleitete, sagt er nur so viel: „Den kann man geben.“

Einen Abend zuvor hat Wanderley mit seiner Truppe in einer Willicher Sporthalle trainiert: Er spielt in einem Kreis, das Instrument Berimbau, zu dem andere auf Brasilianisch singend Tanz mit Kampfkunst zu Capoeira verschmelzen lassen.

Vier der deutschen Capoeira-Schüler, darunter Pinguim (Pinguin), Coqueiro (Kokosnusspalme) oder Guerreira (Kriegerin), möchten nun das Brasilien hinter Rio de Janeiro, Samba und Fußball entdecken, indem sie mit ihrem Trainer Toni am 12. Juli dorthin fliegen und bei seiner Familie in Fortaleza bleiben. „Wir wollen etwas von Brasilien zurückbringen — mehr Capoeira und Musikinstrumente“, so die junge Schülerin „Pinguim“ (Pinguin).

Bis dahin hat die Truppe aber noch einige Auftritte vor sich — und bringt so brasilianisches Flair in die Region: Am Samstag findet in der Diskothek „Black and White“ in der Altstadt eine Samba-Show statt, bei der der Trainer mitwirkt. Und am 28. Juni tritt seine Mannschaft ab 11.45 Uhr beim Rheydter Turmfest auf. Die Energie, die der Tänzer ausstrahlt, kann neben Sonnenschein das Einzige sein, was die Menschen, die nicht nach Brasilien fahren können, mit den fliegenden Bällen zwischen Salvador da Bahía, Brasilia oder Rio de Janeiro verbinden kann.

„Toni“ schätzt die Zahl der Brasilianer in Mönchengladbach und Umgebung auf 25, doch es könnten auch deutlich mehr sein. Er hofft, bald einen brasilianischen Kulturverein zu gründen. Der Schüler Coqueiro findet: „Die Neugier der Deutschen für Exotik sollte auch hier nie verloren gehen, man sollte alle Spiele gucken und kann ein bisschen ,Brasil’ auch in einem Rodizio-Restaurant in Düsseldorf oder Köln und sonst beim Mexikaner oder Argentinier miterleben.“

„Wenn Deutschland bei der WM gewinnen möchte, muss die Mannschaft noch mehr Spaß haben“, verrät Toni. Über ein Aufeinandertreffen — vielleicht gar erst im Finale — zwischen Deutschland und Brasilien würde er sich freuen: „Die Deutschen sind nervös, wenn sie auf uns treffen“, sagt „Toni“. Dann wird er ernst: „Auch wenn wir gewinnen, brauchen wir immer noch viel mehr für unser Land.“ Wanderley ist — wie viele seiner Landsleute — unzufrieden mit der brasilianischen Regierung, die angesichts der Armut im Lande immense Finanzmittel für die WM zur Verfügung stellt. „Bei der WM in Brasilien lernen Touristen leider nicht viel vom wahren Wesen Brasiliens kennen“, sagt „Professor Sonic“, der auch für den Mönchengladbacher Polizeisportverein tätig ist.

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