Borussia-Bildband: Fohlen und Frisuren

Günter Netzer beim Seilchenspringen, Hennes Weisweiler beim Skat: Fotos aus 109 Jahren zeigt ein neues Buch über Borussia.

Mönchengladbach. Der junge Mann mit dem akkuraten Seitenscheitel schaut halb amüsiert, halb verächtlich in die Kamera. Er befindet sich, als der Fotograf den Auslöser drückt, zehn Zentimeter über dem Boden. Aber Seilchenspringen ist keine Aktivität, bei der sich ein Fußballstar gerne ablichten lässt.

Auch der ältere Herr, der im Kaminzimmer des Hotels eine Runde Skat spielt, ist von der Anwesenheit des Fotografen offenkundig nicht begeistert. Seine Augen versteckt er hinter dicken dunklen Gläsern, wenngleich die Sonne die Ecke, in die sich die drei Zocker verzogen haben, nicht zu erreichen scheint.

Solche Schnappschüsse von Stars wie Günter Netzer und Trainerlegenden wie Hennes Weisweiler sind es, die "Fohlen, Feste & Frisuren" zu einem besonderen Fußballbuch machen. Der Bildband sticht heraus aus der großen Zahl von Veröffentlichungen zu Borussia und ihrer Geschichte. Hier werden nicht nur Bilder zu tausendmal erzählten Ereignissen aus der großen Zeit der Fohlenelf gezeigt (wenngleich auch Platz für Pfostenbruch, Jahrhunderttor und Matthäus-Elfmeter ist). Stattdessen gibt es die schrägsten Frisuren (zum Beispiel Max Eberl mit Irokesenschnitt, Berti Vogts mit blonder Rotzbremse und Jörg Neun mit Vorzeige-Vokuhila).

Es gibt Momente des Leids (der junge Vogts mit schmerzverzerrtem Gesicht, versonnen-frustrierte Borussen nach dem verlorenen Pokalfinale 1992).

Ganze Kapitel sind den Fußballerfrauen und -wohnungen gewidmet, wobei sich die 70er hier weniger als Epoche des Erfolgs als der jenseitigen Ästhetik erweisen.

Unter diesem Aspekt schmeicheln die Bilder von Borussen und ihren Autos aus ebenjener Zeit dem Auge deutlich mehr: Fußballerautos anno 1971 sind einfach schöner als die der Jetztzeit. Das einzige, was an Berti Vogts’ flaschengrünem Porsche mit Grevenbroicher Kennzeichen ein bisschen stört, ist der kleine blonde Mann im körperbetonten dunkelbraunen Hemdchen.

So blättert man Seite für Seite weiter - und es wird nicht schlechter. Wo man nicht schmunzelt, fühlt man sich zurückversetzt in die jeweilige Zeit, erinnert sich an Spieler, die man angefeuert oder still verflucht hat, an Trikots, die mancher Fan auch selbst getragen hat, an Tore, über die man laut gejubelt oder an Niederlagen, nach denen man frustriert den Bökelberg verlassen hat. Der Text zu den Fotos beschränkt sich auf die nötigsten Erklärungen - und das ist gut so. Die Bilder erzählen in diesem Fall die besten Geschichten ganz allein.

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