Barrierefreiheit: Stadt hat Nachholbedarf

Jeder fünfte Mönchengladbacher hat eine amtlich festgestellte Behinderung. Die Inklusionsbeauftragte hat einen Bericht vorgelegt.

Immer mehr Menschen in der Stadt haben eine Behinderung. Zum 31. Dezember 2016 hatten genau 52 041 Mönchengladbacher eine vom Versorgungsamt festgestellte Beeinträchtigung. Das waren zu dem Zeitpunkt 20,4 Prozent der Bevölkerung — 2014 waren es 19,8 Prozent der Gladbacher gewesen. 36 527 Menschen haben einen Grad der Behinderung von mehr als 50 Prozent und sind damit schwerbehindert. Der Anteil der Einwohner mit Schwerbehinderung stieg von 13,2 auf 13,5 Prozent im Jahr 2016. Das geht aus dem Bericht der Inklusionsbeauftragten Ingrid Icking mit dem Titel „Fünf Jahre Stabsstelle Inklusion“ hervor.

Mönchengladbach liegt damit, was den Anteil der Menschen mit Schwerbehinderung angeht, erkennbar über dem Landesschnitt. Allerdings lassen sich die Zahlen von Stadt und Land aufgrund von völlig unterschiedlichen Auffassungen über die Bevölkerungsgröße kaum miteinander vergleichen. Das Land sieht zum Stichtag 31. Dezember 2017 einen Anteil an Menschen mit Schwerbehinderung in Mönchengladbach von 12,1 Prozent, landesweit sind es 10,2 Prozent. In der Region ist Mönchengladbach damit absoluter Spitzenreiter.

Der 67-seitige Bericht der Inklusionsbeauftragen enthält Einschätzungen dazu, in welchen Bereichen Inklusion und Barrierefreiheit schon gegeben ist, und wo Nachholbedarf besteht.

Icking lobt die Krankenhäuser. Sie hätten „bei allen Umbauten der letzten Jahre an die barrierefreie Auffindbarkeit, Zugänglichkeit und Nutzbarkeit für Patienten und Besucher gedacht“. Anders als niedergelassene Ärzte und Therapeuten, von denen sich manche schwertäten. „Eine diskriminierungsfreie Behandlung von schwerstmobilitätsbeeinträchtigten Personen ist nach wie vor nicht flächendeckend gegeben“, heißt es im Bericht.

In den vergangenen Jahren seien viele neue Wohnangebote für Menschen mit Behinderung entstanden — ein Resultat des Konzeptes „Ambulant vor Stationär“. Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) zahlte 2016 für Mönchengladbacher mit Behinderung knapp 40 Millionen Euro für Leistungen zum stationären Wohnen für 708 Menschen und 17,1 Millionen Euro zum selbstständigen Wohnen für 1451 Personen. Letzteres fördere zwar die Selbstbestimmung des Alltagslebens, so die Inklusionsbeauftragte, aber das Leben in der öffentlichen Gesellschaft leide manchmal mangels Antrieb oder Mut. Aber: „Trotz vieler Baumaßnahmen fehlt barrierefreier Wohnraum.“

Eine Befragung hat ergeben: Viele wünschen sich an den Wochenenden interessante Angebote, aber die Fahrt dorthin stelle immer eine Hürde dar. Wichtig seien transparente Informationen über Preise vor Ort. „Alle Veranstaltungskalender, -hinweise und -plakate, mindestens aber die aller öffentlichen Träger, sollten daher Eintrittspreise angeben müssen, damit jeder seine Auswahl direkt mit seinem Geldbeutel abstimmen kann“, so Icking. Im Stadttheater Rheydt gebe es zwar Plätze für Rollstuhlfahrer, aber die Audiodeskriptionsanlage zur Unterstützung blinder Menschen konnte nicht angeschafft werden. Vorarbeiten seien zwar abgeschlossen und die Technik ausprobiert, aber die „Aktion Mensch“ habe die Finanzierung abgelehnt, weil sie nur freie Träger finanzieren dürfe.

Das Angebot barrierefreier Toiletten sei mittlerweile sehr viel flächendeckender als noch vor Jahren. „Aber leider muss mancher Betreiber immer noch daran erinnert werden, dass der Platz im WC kein Abstellplatz für Sanitärartikel, sondern Bewegungsfläche ist.“

Die größte Schwachstelle in der Stadt, wenn es um Barrierefreiheit geht. Bei Apotheken, Arztpraxen, Fitnessstudio sowie Rehasport-Einrichtungen und Restaurants sei zwar „Barrierefreiheit in der Vergangenheit weitgehend ignoriert worden“. Häufiges Ärgernis seien laut Icking aber die teils „überalterten und heruntergekommenen Verwaltungsgebäude“, der Bau eines neuen Rathauses sei deshalb zu begrüßen. Heftige Kritik äußerte Icking an der Unterbringung des Büros der Grundsicherung in der ehemaligen Kommandantur im Rathaus Rheydt und den Verzicht auf einen Umzug in barrierefreie Räume. „Dieser Umgang mit behinderten und betagten Menschen ist unwürdig.“

Beim Umbau der Bushaltestellen gibt es Nachholbedarf. Bis 2022 muss der öffentliche Nahverkehr barrierefrei sein. Das wird kaum zu schaffen sein. Ältere Parkhäuser sind weitgehend nicht barrierefrei, aber im Bestand muss nicht nachgebessert werden. Vorbildlich sei die Tiefgarage unter dem Marktplatz Rheydt. Insgesamt gibt es 85 Schwerbehindertenparkplätze an 41 Standorten. „Insbesondere am Alten Markt fehlen Plätze“, so Icking.

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