Alkoholismus: „Trocken“ zurück ins Leben

Alkoholismus ist eine Krankheit: Abhängige zerstören damit auch das Leben der Angehörigen. Hilfegruppen versuchen aufzuklären.

Alkoholismus: „Trocken“ zurück ins Leben
Foto: Archiv

Mönchengladbach. Michael ist Anfang 40 als seine Frau Ursula (Namen von der Redaktion geändert) merkt, dass ihr Mann häufig nach Alkohol riecht. Er trinkt immer häufiger zu viel und tut das nicht mehr nur in Gesellschaft, sondern auch alleine zu Hause — sogar tagsüber. Das fällt dem Arbeitgeber auf, zu dem Ursula Kontakt aufnimmt. Gemeinsam versuchen sie, auf Michael einzuwirken.

Alkoholismus ist eine Krankheit. Das heißt: Erst dann, wenn der Betroffene nichts dagegen unternimmt, kann sein Arbeitsplatz in Gefahr geraten.

Michael macht einen sogenannten „kalten Entzug“. Das ist sehr gefährlich, weil der Körper ohne medizinische Hilfe oft mit Krämpfen oder sogar epileptischen Anfällen reagiert. Ärzte empfehlen einen mehrtägigen Aufenthalt in einer Klinik. Am schwierigsten sind die ersten drei bis vier Tage mit Entzugserscheinungen wie Zittern, Schwitzen und Denkstörungen.

Zehn Jahre bleibt Michael trocken, dann hat er nach dem Tod seines Bruders einen Rückfall. Ein ständiges Auf und Ab beginnt: Michael ist sogenannter Quartalstrinker. Sprich: Er bleibt zwischendurch wochenlang, manchmal mehrere Wochen trocken.

Dieser Fall ist eine „typische Trinkerkarriere“, die nicht nur Michael an seine Grenzen bringt, sondern auch Ursula. Michael wendet sich schließlich an die Mönchengladbacher Gruppe des Kreuzbundes, einer Selbsthilfegruppe für Suchtkranke und deren Angehörige.

Nach anfänglichem Zögern geht Ursula mit zu den Gruppenstunden. „Ich hatte erst keine Lust, weil ich das Gefühl hatte, unsere Beziehung geht kaputt.“ Heute weiß sie, wie wichtig dieser Schritt war. „Ich war total verunsichert — auch deshalb, weil mein Mann immer bestritten hat, dass er alkoholabhängig ist. Ich wollte aber trotzdem bei ihm bleiben, damit er nicht auf der Straße landet“, sagt sie im Rückblick.

Die Gespräche mit Menschen, die die gleichen Probleme haben, geben ihr Halt. Sie wird stärker. „Ich musste ja auch alles alleine erledigen: Kinder, Haushalt, Finanzen. Und mein Mann war als Alkoholabhängiger wie ein zusätzliches Kind“, erinnert sich Ursula.

Der Gesprächskreis gibt ihr die Kraft, nicht unter der Last zusammenzubrechen. Michael ist inzwischen tot, aber nicht an den Folgen des Alkoholismus gestorben. Ursula hat sich durch ihre Erfahrungen persönlich weiterentwickelt, sagt sie. Heute hilft sie selbst Betroffenen. Sie hat sich zur ehrenamtlichen Suchthelferin ausbilden lassen und leitet seitdem gemeinsam mit einem Kollegen beim Kreuzbund einen Gesprächskreis.

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