Ärger über Gaffer an Unglücksorten

Bei einem Brand in Giesenkirchen behinderten etwa 250 Schaulustige die Arbeit der Feuerwehr.

Ärger über Gaffer an Unglücksorten
Foto: Schellhammer

Das Betonwerk in Giesenkirchen steht in Flammen, eine riesige Rauchwolke zieht über die Stadt. Die Feuerwehr hat alle Hände voll zu tun, um ein Übergreifen der Flammen auf die angrenzende Bebauung zu verhindern. Dafür muss eine Löschwasserversorgung über einen 250 Meter entfernt liegenden Hydranten aufgebaut werden. Doch das geht erst einmal nicht, weil überall Schaulustige im Weg stehen. Menschen mit Handys, die möglichst nah dran sein wollen, um später Fotos oder Videos auf Facebook, Whatsapp oder Youtube zu posten. Der Feuerwehr bleibt am Sonntag nichts anderes übrig, als die Polizei zu rufen. Ein Teil einer Hundertschaft rückt an, um den Einsatzort weiträumig abzusperren und die 250 Schaulustigen, von der riesigen Rauchwolke angelockt, in die Schranken zu weisen.

Ärger über Gaffer an Unglücksorten
Foto: Schellhammer

Die Situation am Sonntag war kein Einzelfall. Als am vergangenen Freitag dichter Rauch aus einem Mehrfamilienhaus an der Krefelder Straße quoll, hätten fast genauso so viele Gaffer herumgestanden, sagt Frank Nießen, Sprecher der Berufsfeuerwehr. Für die Lösch- und Rettungskräfte sei das ein Problem, weil Wege versperrt werden. „Unsere Fahrzeuge müssen am Einsatzort in die strategisch richtige Position gebracht werden“, sagt Nießen. Wenn Schaulustige da im Weg stehen, behindern sie nicht nur die Arbeit, sie gefährden sich auch selbst. Schaulustige habe es immer schon gegeben, sagt der Feuerwehrsprecher. Was aber zugenommen habe, sei die Internetpräsenz. Da würden die ersten Bilder vom Unglück schon nach wenigen Minuten gepostet. „Das sehen wiederum andere, die sich denken: Mensch, lass uns mal dahinfahren“, berichtet Nießen.

Ärger über Gaffer an Unglücksorten
Foto: Schellhammer

Dabei kann Gaffen teuer werden. Nicht nur die Behinderung von Einsatzkräften, auch das Fotografieren oder Filmen von verunglückten Autos und Verletzten ist ein Riesen-Problem. Und in vielen Städten wird jetzt gegen die Sensationsgierigen rigoroser vorgegangen.

Die Wiesbadener Polizei drehte den Spieß am vergangenen Freitag um: Sie machte Aufnahmen von den Menschen, die nach einem tödlichen Unfall auf der A 60 ihr Handy zwecks Katastrophenaufnahmen zückten. Die Ermittelten müssen demnächst mit saftigen Strafen rechnen.

Oft fehlt der Polizei aber die Zeit, um an Einsatzorten auch noch die Personalien aller Gaffer aufzunehmen und dann womöglich mit ihnen zu diskutieren, ob sie „rein zufällig“ oder aus Sensationsgier vorbeikamen. Am Sonntag in Giesenkirchen kam es zu keinen Anzeigen, wie Polizeisprecher Jürgen Lützen sagt. Das sei aber auch nicht nötig gewesen, weil die Menschen nach er Aufforderung freiwillig abgezogen seien.

Um die Persönlichkeitsrechte von Unglücksopfern zu wahren, lässt die Feuerwehr Mönchengladbach nur noch Fotografen mit Presseausweis an den Einsatzort. Sogar die eigenen Kräfte dürfen nicht fotografieren — mit Ausnahme des Notarztes zur besseren Einschätzung von Verletzungsmustern.

Bei der Feuerwehr ist man froh, Sichtschutzwände zu haben, die im Bedarf schnell aufgebaut sind. So werden nicht nur Handy-Gaffer abgehalten, Fotos von Verunglückten oder Toten zu machen, um sie dann womöglich im Internet zu veröffentlichen — ohne Rücksicht auf Angehörige. Auch Passanten werden durch die Wände vor schrecklichen Bildern geschützt.

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