72 Minuten mit Baby im engen Lift

Vater und Tochter stecken im Aufzug fest — und immer wieder die Frage: „Sind sie noch da?“ Über eine Stunde mussten die beiden in dem engen Stahlkasten verharren.

Mönchengladbach. Es kam ihm ewig vor. Und je länger es dauerte, desto mehr stiegen in ihm panische Ängste auf. Eine Stunde und zwölf Minuten steckten Jana (elf Monate) im Kinderwagen sowie ihr Vater Adam A. (42) im Aufzug der Theatergalerie, Hindenburgstraße, fest.

In einem stählernen Kasten, der gerade mal einen mal zwei Meter „groß“ ist. Obwohl der schlimme Vorfall schon ein paar Tage her ist, ärgert sich der Diplom-Sozialarbeiter immer noch. Auch und vor allem darüber, dass eine Mikrophon-Stimme beim Zwangsaufenthalt ständig von oben fragte: „Sind sie noch da?“ Ja, wo denn sonst?

Der 42-Jährige — er arbeitet in Jüchen — freute sich auf den Nachmittag mit Jana. Sie ist das jüngste von zwei Kinder der Familie. Endlich wollte der Vater in einer großen Buchhandlung in der Einkaufs-Galerie einen Gutschein einlösen. Etwa eine Stunde — Jana quengelte überhaupt nicht — stöberten sie. Danach wollten die Zwei in einem Café etwas trinken.

Und benutzen daher den Aufzug, der um 16.35 Uhr plötzlich vor der ersten Etage hängen bleibt. Sekunden später drückt A. den Notrufknopf. Man erklärt ihm per Lautsprecher, „dass der Monteur sofort informiert wird“.

Es folgen Minuten des bangen Wartens, im engen Käfig wird’s wärmer, Jana schläft, wird aber durch die „Sind Sie noch da?“-Stimme“, die alle zehn Minuten stereotyp ertönt, geweckt. Jana weint und schreit. Adam A. wird unruhiger, dann um 17.48 Uhr die Befreiung.

Der 42-Jährige habe den Mann von der Rettungsfirma gefragt, warum sie so lange warten mussten. Der habe flapsig geantwortet: „Eine Stunde, zwölf Minuten sind eine übliche Rettungszeit.“

Auf Anfrage unserer Redaktion sagt ein Feuerwehr-Sprecher: „Tatsächlich sind in solchen Fällen derartige Zeiten üblich.“ Hintergrund: Galerie-Betreiber schließen mit Firmen Wartungsverträge ab. Monteure seien rar und kämen entweder aus Köln oder wie bei Adam A. aus Düsseldorf. Je schneller die Wartungsleute kommen sollen, desto teurer werde es. Ausnahme: Klagen die Eingesperrten über Übelkeit oder sind verletzt, kommt die Feuerwehr. Und diesen Einsatz muss die Center-Verwaltung zahlen.

Der Sozialarbeiter ärgert sich noch immer. „Die haben sich zwar entschuldigt, doch keiner wollte Verantwortung übernehmen. Muss was passieren, dass man solche Missstände behebt?“

Die Westdeutsche Zeitung bemühte sich vergebens um eine Stellungnahme der Theater-Galerie.

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