Ausstellung im Lise-Meitner Annäherung an das Unbegreifliche

Anrath · Lise-Meitner-Schüler haben eine Foto-Ausstellung zu Eindrücken in Auschwitz erstellt.

 Lehrerin Sigrid Stegemerten (2.v.l.) mit Schülern vor Foto-Text-Tafeln, die in eindrücklicher Weise Erfahrungen und Eindrücke einer Fahrt nach Auschwitz und Birkenau  dokumentieren.

Lehrerin Sigrid Stegemerten (2.v.l.) mit Schülern vor Foto-Text-Tafeln, die in eindrücklicher Weise Erfahrungen und Eindrücke einer Fahrt nach Auschwitz und Birkenau  dokumentieren.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

Zwei Männer hängen am Galgen. Den Strick um den Hals, die Arme dicht am Rumpf. Sie sind tot. Am dritten Galgen stand bis gerade noch ein Mensch mit den Füßen auf einem Schemel. Das Seil trägt er bereits um den Hals. Am rechten Pfosten steht eine vierte Person. Sie kickt den Hocker weg wie einen Ball. Es ist ein Todesstoß.

Das Grauen – in einigen Bleistiftlinien erzählt – trifft Betrachter mit voller Wucht. Umso mehr, wenn man erfährt, wer das Bild gezeichnet hat und wo es gezeichnet wurde.

Aylin, 18, Schülerin des Lise-Meitner-Gymnasiums, hat es ausgewählt. Sie hat es in Auschwitz gesehen, im Raum der israelischen Ausstellung „Shoah“. Das steht wie der Begriff Holocaust für die Verfolgung, Ghettoisierung und Massenvernichtung der Juden in Deutschland und Europa zur Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft.

In Auschwitz hingen diese und weitere Zeichnungen von Kindern, die in dem Lager einst gelebt haben. Und dort ihr Leben ließen.

Aylin, Josephine, Michel und Fiona gehören zu 20 Schülern des Anrather Gymnasiums, die 2019 im Rahmen des Projektkurses Geschichte mit Lehrerin Sigrid Stegemerten nach Auschwitz reisten. Sie unternahmen mit dieser Fahrt eine „Annäherung an das Unbegreifliche“. Sie haben Beweggründe der Täter ergründet, die Situation der Opfer nachvollzogen, das Ausmaß des Holocaust zu erfassen versucht.

Für ihre Mitschüler und die Öffentlichkeit haben die Oberstufenschüler der Q2 in der Aufarbeitung ihrer Erlebnisse und Eindrücke eine sehr persönliche Ausstellung erstellt. Je ein Foto. Dazu ein Text, in dem jeder von ihnen tief Berührendes von sich preisgibt.

Die Bilder wurden in der Gedenkstätte gemacht. „Für mich ist dieses Bild ein Symbol für die Vernichtung von Emotionen. Nicht nur „leibliches Leben“, sondern auch „psychisches Leben“ wurde im Konzentrationslager vernichtet, schreibt Aylin über die Toten am Galgen.

Mitschülerin Sarah hat einen kurzen, intensiven Text zu einem Foto verfasst, das durch einen Zaun hindurch weitere Zäune und im Hintergrund Gebäude zeigt. „ ein Leben hinter dem unter Strom stehenden Stacheldrahtzaun und qualvoll mit dem vorbestimmten Ende zu sterben. Ein Leben in permanenter Angst, eingesperrt wie ein Tier im Käfig.“ Aber der Blick geht auf die andere Seite des Zauns, Freiheit – „so greifbar nah und doch so fern“.

Michel und seine Mitschüler sind gut informiert und vorbereitet nach Auschwitz gefahren. Sie haben sich dem Unbegreiflichen auch über Literatur genähert. Michel zum Beispiel hat das Buch „Ein Glückskind“ gelesen von Autor Thomas Buergenthal, „Wie ich als kleiner Junge Auschwitz überlebte und ein neues Leben fand.“

Trotzdem war es vor Ort in Auschwitz und Birkenau „noch einmal etwas ganz anderes“, sagt Fiona. „So real.“ Alle haben Bilder abgespeichert. Vieles war nur sehr schwer mit anzusehen. Michel: „Wir haben uns ein Jahr lang mit dem Thema intensiv auseinandersetzt. Ich habe trotzdem nicht das Gefühl, dem gerecht zu werden.“

Sigrid Stegemerten betont: „Wir Nachgeborenen sind nicht schuld, wir tragen aber die Verantwortung dafür, dass sich das nicht wiederholt.“ Die hohe Sensibilität ihrer Schüler tritt in den Ausstellungstexten deutlich zu Tage.

 „Wenn ich auf einen Holocaust-Leugner treffen würde?“, antwortet Aylin auf die Frage: „Ich wäre wohl überfordert. Es gibt ja Fakten und Beweise. Wie kann man das leugnen? Wir konnten es selber sehen und haben Zeitzeugen gehört. Ich könnte ein Leugnen nicht nachvollziehen.“ Wie die 18-Jährige denkt auch Mitschülerin Josephine: „Ich würde ihm raten, dorthin zu gehen, es sich anzusehen, sich des Themas anzunehmen. Man sollte sich schämen, den Holocaust zu leugnen. Es ist unverständlich, das zu verdrängen.“

 Die Ausstellung der 20 Anrather Schüler ist noch bis Mittwoch, 12. Februar, während der Unterrichtszeiten im Forum des Lise-Meitner-Gymnasiums, Hausbroicher Straße 40, zu sehen.

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