Reportage : Laschet in Erkelenz: Zerrissen am Rande des Tagebaus
Erkelenz In den Dörfern um Erkelenz hoffen manche, ein früherer Kohleausstieg könnte ihnen die Umsiedlung doch noch ersparen. Aber Ministerpräsident Laschet will sich bei seinem ersten Besuch vor Ort an solchen Spekulationen nicht beteiligen.
Schon die Anfahrt ist symptomatisch: Das Navigationsgerät kennt den neuen Autobahnverlauf am Tagebau Garzweiler nicht, der Pfeil irrt eine Zeit orientierungslos über die Kartendarstellung. Ähnlich orientierungslos ist die Situation derzeit für die Bewohner der Erkelenzer Dörfer Keyenberg, Kuckum, Unter- und Oberwestrich sowie Berverath. Sie gehören nicht zu den Orten, die bei der letzten rot-grünen Leitentscheidung 2016 noch aus dem Abbauplan des Braunkohletagebaus Garzweiler II herausgenommen wurden. Die Dorfgemeinschaften sind zerrissen zwischen Bleiben und Gehen, zwischen Resignation und vorsichtiger Hoffnung.
An diesem Samstagmorgen ist Armin Laschet gekommen. Dem NRW-Ministerpräsidenten war von den Braunkohlegegnern oft vorgehalten worden, er lasse sich vor Ort nicht blicken. Aus der Staatskanzlei heißt es, er sei auch nie eingeladen worden. Hans-Josef Dederichs, Polizist und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stadtrat von Erkelenz, hat das jetzt nachgeholt – mit Erfolg. Laschet ist der erste Ministerpräsident überhaupt, der den Betroffenen einen Besuch abstattet.
Und er hat Zeit mitgebracht, ab 10 Uhr für Einzelgespräche, ab 11.30 Uhr dann im Pfarrsaal Kuckum für die Begegnung mit rund 60 Anwohnern. An der Wand hängt das Bekenntnis „Wir sind Kuckum“, die Presse muss draußen bleiben, die Diskussion wird zum Ende hin hörbar lebhafter. Nach gut einer Stunde tritt ein nachdenklicher Ministerpräsident vor die Tür. Er spricht davon, dass das ganze Land den Bewohnern viel zugemutet habe, dass das Ziel, das Dorfleben trotz Umsiedlung weitgehend zu erhalten, oft nur schwer oder gar nicht umzusetzen sei. Für die alten Höfe ist in der neuen Siedlung im Norden von Erkelenz kein Platz mehr, für den Betrieb einer Pferdekoppel auch nicht. Laschet ist offen für die Anregung, eine Persönlichkeit als zentralen Ansprechpartner für die lokalen Probleme der Umsiedlung zu benennen.
Auf die entscheidende Frage aber kann er jetzt noch keine Antwort geben: was ein möglicher Vorschlag der Kohlekommission für einen früheren Ausstieg aus der Braunkohle für die Region bedeuten würde. „Wir werden schneller aussteigen als 2045“, aber dann müsse noch entschieden werden, wo die Restförderung erfolge. „Ich will nicht spekulieren, das wäre unverantwortlich.“ Den Betroffenen rät er, sich vorerst an das zu halten, was beschlossen sei. Gleichwohl wolle er RWE „um Sensibilität bitten“, nicht voreilig identitätsstiftende Kulturdenkmäler abzureißen, bis nicht endgültig klar ist, wie lange und wo es noch mit der Braunkohle weitergeht.
Grünen-Politiker Dederichs wertet das Gespräch im Anschluss als Chance für ein „neues Miteinander“. Er baut auf Laschets Moderation, „einen anderen Ton gegenüber den Umsiedlern“ und eine würdevollere Gestaltung der Umsiedlung. Auch Bürgermeister Peter Jansen (CDU) sehnt sich danach, „die letzte Umsiedlung sehr sauber und in Ruhe zu Ende zu bringen“.