Langeweile zuhause Unsere Büchertipps in Corona-Zeiten

Düsseldorf · Wer in der Zeit der Corona-Pandemie auf der Suche nach neuer Inspiration ist und sich Buchtipps einholen will: Wir stellen Bücher vor, die in diesen Tagen auf dem Sofa zum Lesen anregen.

 Bücher, die keine irre Disziplin erfordern, liest man auf dem Sofa schnell weg.

Bücher, die keine irre Disziplin erfordern, liest man auf dem Sofa schnell weg.

Foto: imago/Westend61/imago stock&people

Zu den vielen beispiellosen Dingen, die gerade passieren, zählt, dass auch die Buchbranche durch das Coronavirus zutiefst in ihrer Existenz getroffen ist. Aber wann, wenn nicht jetzt sollte man lesen? Das Angebot ist groß: Wir geben Tipps.

„Achtsam Morden“ von Karsten Dusse: Achtsamkeit ist das Thema dieser besonderen Zeit. Und viel über Achtsamkeit kann man aus dem Erstlingswerk von Rechtsanwalt und Fernsehautor Karsten Dusse lernen. Wenn in dem Roman Strafverteidiger Björn Diemel von seinem Achtsamkeitscoach lernt, wie er eine Situation einfach mal als das annimmt, was sie ist, statt ihr entfliehen zu wollen, kann man vieles übertragen auf die derzeitige Selbstisolation zu Hause. Andererseits soll „Achtsam Morden“ bitte ausdrücklich nicht als Ratgeber verstanden werden, wie unvermeidbare Konflikte in der häuslichen Quarantäne zu lösen wären – enden doch die achtsam entwickelten Problemlösungsstrategien Diemels stets unweigerlich im Tod eines Problem-Verursachers. Wer einen Sinn für sprachlichen Witz und schwarzen Humor hat, der wird bei diesem Buch in jedem Fall mehrfach laut auflachen, damit vielleicht seine Mitkasernierten daheim aufschrecken – aber ohne Lachen geht es auch und gerade in der Krise nicht. („Achtsam morden“, Heyne-Verlag, 9,99 Euro) juki

Claudius Bombarnac“ von Jules Verne: Das ist die Zeit für die Wiederentdeckung des Kopfkinos. Man darf nicht reisen. Und man sollte die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel vermeiden, so gut es geht. Also bietet sich ein Reiseroman an, in dem ein Zug die entscheidende Rolle spielt: die Transasienbahn von Uzan-Ada am Ostufer des Kaspischen Meers bis in die chinesische Hauptstadt Peking. Und an unserer Stelle macht sich Claudius Bombarnac auf den Weg, Reporter der Zeitung „20. Jahrhundert“. Für sie soll er von seinen Reiseerlebnissen berichten. Das Buch des ungemein produktiven französischen Schriftstellers Jules Verne ist schon fast 130 Jahre alt, lebt von seinem lakonischen Sprachstil und den skurrilen Figuren, denen Bombarnac auf seiner Fahrt durch Asien begegnet. Und als kleines Beispiel für Vernes Zukunftsblick mag ein kurzer Dialog dienen, der von Widerständen gegen einen Eisenbahntunnel zwischen Calais und Dover berichtet. Tatsächlich wurde der Eurotunnel erst am 6. Mai 1994 eröffnet, mehr als hundert Jahre nach der Veröffentlichung des Romans. (Claudius Bombarnac, Verlag Neues Leben, antiquarisch, oder Hansebooks, 22,90 Euro) er

Spektrum“ von Sergej Lukianenko: In diesem philosophischem Science-Fiction-Meisterwerk des russischen Autors Sergej Lukianenko öffnen Geschichten buchstäblich Tore zu anderen Welten. Denn in einer alternativen Realität sind Außerirdische auf der Erde gelandet und haben Portale aufgestellt, mit denen man auf andere Planeten reisen kann. Als Gegenleistung für den Durchlass verlangen die „Schließer“ genannten Aliens von dem potenziellen Reisenden eine Geschichte – und nur wenn diese Gefallen findet, wird der Durchgang gewehrt. Privatdetektiv Martin Dugin ist ein besonders begabter Erzähler und verdient sein Geld damit, geflohene Kriminelle oder Ausreißer auf anderen Planeten aufzutreiben. Eines Tages soll er eine Frau finden – und gerät in einen Wirrwarr kosmischer Rätsel und Intrigen. Mysteriös, spannend bezaubernd, all das ist die Geschichte die Lukianenko ausbreitet und die wiederum viele eigene Geschichten enthält, mit denen die Reise zu fantastischen fremden Welten bezahlt werden will. Perfekt, wenn man der Quarantäne gedanklich entkommen will und wenn man es mag, dass die Lektüre zum grübeln anregt. (Spektrum, Heyne-Verlag, Taschenbuch 11,99 Euro) LF

 Der Science-Fiction-Roman „Spektrum“.

Der Science-Fiction-Roman „Spektrum“.

Foto: Heyne

Louis oder der Ritt auf der Schildkröte“ von Michael Hugentobler: Louis de Montesanto heißt eigentlich gar nicht so, führt aber unter diesem Namen ein aufregendes Leben. Jetzt, wo man nicht reisen kann, macht es umso mehr Spaß, dem Schweizer durch die Welt zu folgen. Ende des 19. Jahrhunderts bricht der 13-Jährige auf, um in die Welt zu gehen. Verdingt sich als Gehilfe auf dem Feld oder im Keller. Der Roman schildert in leichtem Lesefluss eine typische Aussteiger-Aufsteiger-Geschichte. Neuer Name, neues Leben, neues Sein. So landet er nach Stationen in Paris und London als Butler in Australien. Nein, das ist ihm nicht genug, warum dienen, wenn man selbst Herr sein kann? Nach einem Schiffbruch geht es ums nackte Überleben. In Notsituationen muss man sich zu helfen wissen, und sei es mit dem Ritt auf einer Schildkröte. So gründet er bei den Aborigines eine Familie, die er doch verlässt. Louis ist ein feiner Kerl, hält er doch an seinem Plan fest, etwas aus sich zu machen. Er steigt auf in die höhere Gesellschaft, die nach seinen Lügen lechzt. Bis zum Fall. Geschichten aus der Fantasie lassen den Leser auf jeden Fall  nicht los, verleiten zu Gedankenreisen: was wäre wenn? („Louis oder der Ritt auf der Schildkröte“, dtv, Taschenbuch 10,90 Euro) FK

 Michael Hugentobler:  „Louis oder der Ritt auf der Schildkröte“

Michael Hugentobler: „Louis oder der Ritt auf der Schildkröte“

Foto: dtv Verlag

Dschungel“ von Friedemann Karig: In Deutschland sei alles leichter, sagt ein kambodschanischer Junge während einer nächtlichen Bootsfahrt in gebrochenem Englisch: „Not so much problems.“ Doch in Deutschland und auf der ganzen Welt haben wir in diesen coronalastigen Zeiten mehr Sorgen und Ängste als nötig. Ein gutes Buch, um den Kopf wenigstens für ein paar Stunden frei zu pusten, kommt da gerade recht.

Im Romandebüt „Dschungel“ des Sachbuchautors und Journalisten Friedemann Karig wird ein verschollener Freund für den Ich-Erzähler zur Herausforderung. Während er nach ihm sucht, kommt er sich selbst auf die Spur. Der Autor ist für seinen Roman selbst nach Kambodscha gereist. Man liest sein Buch flüssig weg. Das liegt nicht nur an Karigs Stil, sondern auch an den gekonnten Rückblenden in die Jugend nach Deutschland – gerade dann, wenn es in Kambodscha spannend zu werden verspricht.

 Schrieb 2019 seinen Debütroman „Dschungel“: Autor Friedemann Karig

Schrieb 2019 seinen Debütroman „Dschungel“: Autor Friedemann Karig

Foto: picture alliance / dpa/Britta Pedersen

Benjamin von Stuckrad-Barre schrieb über „Dschungel“: „Das Drama wie auch die Schönheit des Lebens bestehen wohl darin, dass wir alle, in einer verwinkelten Ecke unseres Ichs, auf eine Art für immer 15 Jahre alt bleiben.“ Recht hat er. („Dschungel“, 384 Seiten, Ullstein-Verlag, Hardcover 22 Euro) E.S.

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