Freiheit für Unis oder Gängelung der Studenten? Landtag gibt grünes Licht für umstrittenes NRW-Hochschulgesetz

Düsseldorf · Anwesenheitspflicht und Zivilklausel – das Gesetz wird in der Uni-Landschaft heiß diskutiert. Heftige Kritik gibt es auch vom Gewerkschaftsbund.

 Friedensinitiativen demonstrierten vor der Verabschiedung des Hochschulgesetzes am Donnerstag vor dem Landtag noch einmal gegen das Kippen der Zivilklausel.

Friedensinitiativen demonstrierten vor der Verabschiedung des Hochschulgesetzes am Donnerstag vor dem Landtag noch einmal gegen das Kippen der Zivilklausel.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

„Mehr Freiheit für die Hochschulen“ – dieses Fazit zieht die NRW-Landesregierung, nachdem der Landtag mit den Stimmen von CDU und FDP am Donnerstag das neue Hochschulgesetz beschlossen hat. Die Grünen hingegen nennen es „Studierendengängelungsgesetz“, bei der Opposition fällt es rundweg durch. Auch vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) gibt es deutliche Kritik: Das Land gebe hier seinen Gestaltungsanspruch auf.

„Die Hochschulen und das Land sind wieder Partner“, erklärte Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) im Landtag. Man gehe davon aus, dass die Hochschulen am besten wissen, was gut für sie sei – deshalb gebe man ihnen Autonomie zurück, der Landeshochschulentwicklungsplan sowie die Möglichkeit zur Detailsteuerung durch ihr Ministerium fallen weg. Auch beim Baurecht haben die Hochschulen künftig selbst den Hut auf, genau wie bei der generell ermöglichten Anwesenheitspflicht für Studierende und der Frage einer Zivilklausel, die militärische Forschung ausschließt – deren Streichung im neuen Gesetz führte am Donnerstag noch zu einer Demo von Friedensinitiativen vor dem Landtag.

Unis in der Region begrüßen
die gesteigerte Autonomie

Ein „fatales Signal“, nannte Dietmar Bell (SPD) das Kippen der Klausel. Zudem warf er der Landesregierung vor, mit der Möglichkeit einer Anwesenheitspflicht sozial Schwächere zu benachteiligen: An der Uni seiner Heimatstadt Wuppertal etwa seien 70 Prozent der Studenten nebenbei erwerbstätig. Das Gesetz sei „unambitioniert, rückwärtsgewandt und nicht wirklich klug durchdacht“. Matthi Bolte-Richter (Grüne) kritisierte zudem eine Beschneidung von Mitbestimmungsrechten der Studierenden sowie die Einführung von Studienverlaufs-Vereinbarungen, mit denen Unis für einen höheren Studienerfolg sorgen sollen – laut Bolte-Richter „bürokratische Schnapsideen“, mit denen man erwachsene Menschen bevormunde. Hinter dem Gesetz stehe „ideologiegetriebene Retro-Politik“.

Der DGB stört sich vor allem am Wegfall des Rahmenkodex’ für gute Beschäftigungsbedingungen an den Hochschulen. Laut der NRW-Vorsitzenden Anja Weber ist es zudem gefährlich, wenn die Regierung an den Hochschulen nicht mehr gestalte: „Der Ärzte- und Lehrermangel, der Strukturwandel und die Digitalisierung sind Herausforderungen, die nach einer politischen Gesamtstrategie für Forschung und Lehre verlangen. Wenn jede Hochschule ihr eigenes Süppchen kocht, kann das der Zukunftsfähigkeit Nordrhein-Westfalens schaden.“

Bei den Unis kommt die Reform gut an. „Das neue Hochschulgesetz ist mit Augenmaß gestaltet und überlässt uns mehr Autonomie“, sagt Anja Steinbeck, Rektorin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. „Der Streit um die Anwesenheitspflicht und die Zivilklausel sind Fata Morgans: Wenn man ihnen näher kommt, verschwinden sie.“ Lambert T. Koch, Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz und Rektor der Wuppertaler Uni, erklärt im Interview mit dieser Zeitung, warum das so ist. Auch er sieht die gesteigerte Eigenständigkeit positiv, beide Rektoren kritisieren indes das neue Promotionsrecht für Fachhochschulen.

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