Gewalt und Missbrauch Land und Kirchen bitten bei Heimkindern um Entschuldigung

Düsseldorf · Viele Betroffene verfolgen die Veranstaltung im Landtag. Während der Vorbereitung hatte es mehrfach Missstimmungen gegeben.

 Ein Junge mit Skates auf einem Heimflur. Das ist die Gegenwart – die Vergangenheit war für die Kinder bis in die 70er Jahre oft traumatisch.

Ein Junge mit Skates auf einem Heimflur. Das ist die Gegenwart – die Vergangenheit war für die Kinder bis in die 70er Jahre oft traumatisch.

Foto: dpa/Ralf Hirschberger

Es ist eine besondere Besetzung des Plenarsaals im Landtag. Es gibt einen Gebärdendolmetscher, auch eine Übersetzung in leichter Sprache kann abgerufen werden. Zahlreiche ehemalige Heimkinder aus Einrichtungen der Jugend- und Behindertenhilfe sowie der Psychiatrie verfolgen die Veranstaltung „Zuhören – Anerkennen – Nicht vergessen!“, mit der Landtag und Landesregierung das in staatlichen und kirchlichen Einrichtungen der Nachkriegszeit erlittene Unrecht in den Blick nehmen wollen.

Landtagspräsident André Kuper (CDU) spricht von einem „Tag der Demut“, Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) bittet „im Namen des Landes und der Landesregierung um Entschuldigung“. Ähnliche Formulierungen wählen der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki und Thomas Oelkers, Vorstand des Diakonischen Werkes Rheinland-Westfalen-Lippe, für die katholische und evangelische Kirche. Die Präsides der drei evangelischen Landeskirchen in NRW sind wegen der Eröffnung des Kirchentags in Dortmund nicht anwesend, haben aber zusagt, im Juli den Dialog mit den Betroffenen zu suchen.

Die kommen auch selbst mehrfach zu Wort – durch Schilderungen des erlittenen Leids, aber auch mit konkreten Forderungen. Thomas Frauendienst, der die ersten vier Jahre seines Lebens in einem Behindertenheim durchlitten hat, plädiert vehement dafür, dass die Antragsfrist für Entschädigungsmittel aus der Stiftung „Anerkennung und Hilfe“ nicht am 31. Dezember 2020 enden darf. Heike Gebhard (SPD), Vorsitzende des Sozialausschusses, stellt in Aussicht, dass sich der Ausschuss des Themas annehmen will.

Gebhard war es auch, die an zwei „Konstruktionsfehler“ bei den Entschädigungszahlungen erinnerte. Zum einen waren die Mittel des früheren Fonds „Heimerziehung“,  der Ende 2018 seine Arbeit eingestellt hat, nicht für Betroffene aus Behinderteneinrichtungen gedacht gewesen. Und als für diese dann die Stiftung aufgelegt wurde, war zunächst die Erwartung, dass der Bund zahlen sollte. Erst auf Druck aus NRW und Bayern beteiligten sich Bund, Länder zu je einem Drittel. Das Stiftungsvermögen beträgt 288 Millionen Euro. Rund 6500 Menschen haben bisher eine pauschale Geldleistung von 9000 Euro und eine einmalige Rentenzahlung erhalten.

Im Vorfeld der Veranstaltung hatte es mehrfach Missstimmungen gegeben. So führten erst Interventionen der Betroffenen dazu, dass  mit Kardinal Woelki doch auch ein Bischof teilnahm. Und Anfang Juni beschwerten sich SPD und Grüne beim Landtagspräsidenten über die fehlende Einbindung des Parlaments und insbesondere des Sozialausschusses. Die Red war von „massiven Irritationen“, zumal zeitgleich eine Ausschusssitzung angesetzt war. So müsse sich Besuchern der Eindruck aufdrängen, „dass sich der Landtag (...) nicht für dieses Thema zu interessieren scheint“. Erst in der Folge der Beschwerde wurde die Ausschussvorsitzende Gebhard noch mit in die Veranstaltung aufgenommen.

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