Herausforderungen Kritik an Nachtragshaushalt in NRW: „Lehrstellen können nicht unterrichten“

Dass die NRW-Landesregierung dank höherer Steuereinnahmen fast eine Milliarde Euro mehr als geplant zur Verfügung hat, ist eigentlich eine gute Nachricht. Doch nicht alle sind damit einverstanden, wie das Geld verteilt werden soll.

 Skepsis gab es bei einer Expertenanhörung im Landtag bei den im Etatentwurf veranschlagten 1000 zusätzlichen Lehrerstellen für aus der Ukraine geflüchtete Kinder und Jugendliche.

Skepsis gab es bei einer Expertenanhörung im Landtag bei den im Etatentwurf veranschlagten 1000 zusätzlichen Lehrerstellen für aus der Ukraine geflüchtete Kinder und Jugendliche.

Foto: dpa/Henning Kaiser

Der rund 900 Millionen Euro schwere Nachtragshaushalt der schwarz-grünen Landesregierung Nordrhein-Westfalens für 2022 stößt bei Verbänden auf Kritik. Skepsis gab es bei einer Expertenanhörung im Landtag am Donnerstag etwa bei den im Etatentwurf veranschlagten 1000 zusätzlichen Lehrerstellen für aus der Ukraine geflüchtete Kinder und Jugendliche. Diese neuen Stellen seien zwar „folgerichtig und notwendig“, sagte Stefan Behlau, der Vorsitzende des Bildungsverbands VBE NRW. „Aber nur Lehrpersonen und nicht Lehrstellen können unterrichten, erziehen und bilden.“ Es werde eine wichtige Herausforderung sein, die Stellen auch tatsächlich besetzen zu können. Im Zweifelsfall sollten die dafür in den Haushalt eingestellten Gelder nicht an das Finanzministerium zurückfließen, sondern sollten den Schulen zur Verfügung gestellt werden.

Mit dem Nachtragshaushalt 2022 will Schwarz-Grün in NRW erste Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einlösen. Im Entwurf sind der Einstieg in eine gleiche Lehrereingangsbesoldung sowie mehr Geld für Klimaschutz, Sicherheit, Hochwasserschutz und die Ukraine-Flüchtlinge vorgesehen. Allein für Geflüchtete aus der Ukraine will die Landesregierung noch im laufenden Jahr zusätzlich mehr als 570 Millionen Euro bereitstellen.

Dank höherer Steuereinnahmen hat der finanzielle Spielraum des Landes Nordrhein-Westfalen zugenommen. Der Landeshaushalt 2022 soll mit dem Nachtrag um fast 900 Millionen auf gut 88,4 Milliarden Euro wachsen.

Insgesamt werden mit dem Nachtragshaushalt 1521 neue Stellen geschaffen, davon 54 im Ministerialbereich aufgrund der Regierungsneubildung nach der Landtagswahl im Mai. Nach Auffassung des Landesrechnungshofs sollten angesichts vieler unbesetzter Stellen vor einer Ausweitung der Stellenzahl Möglichkeiten der Umschichtung von Stellen geprüft werden. Die Stellenbesetzungsquote liege nur bei 92,6 Prozent. Für den Bund der Steuerzahler ist es fraglich, ob die 1000 Stellen im Schulbereich, die voraussichtlich gar nicht besetzt werden könnten, überhaupt in den Haushaltsplan aufzunehmen seien.

Der Landesrechnungshof monierte auch, dass auf die geplante Entnahme von 200 Millionen Euro aus der allgemeinen Rücklage verzichtet werde, um die Mittel noch länger als Risikovorsorge zurückzuhalten. Die Rechnungsprüfer empfahlen erneut die Auflösung der allgemeinen Rücklage. Die Mittel sollten zur Schuldentilgung eingesetzt werden.

Die kommunalen Spitzenverbände begrüßten zwar die Einrichtung der 1000 neuen Lehrerstellen, wiesen aber auf die begrenzten Möglichkeiten der Schulträger hin, weiteren Schulraum zu schaffen. Viele mögliche Ausweichgebäude würden bereits für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB NRW) nannte den vorgelegten Nachtragshaushalt angesichts deutlicher Steuermehreinnahmen „insgesamt enttäuschend.“ Gerade jetzt erwarteten die Bevölkerung und die Unternehmen Hilfe. „Sie machen sich Sorgen über die explodierenden Energiekosten und die galoppierenden Preise.“ Der DGB vermisse Maßnahmen zur Entlastung von Bürgern, Unternehmen und Kommunen.

Mit Sorge sehe der DGB auch die zahlreichen unbesetzten Stellen im Öffentliche Dienst. „Auch dieses Jahr bleibt wieder eine Rekordzahl an Stellen unbesetzt.“ Insgesamt fehlten zum
1. Juli in NRW fast 23 800 Menschen, um die Aufgaben zu erledigen, für die die Stellen geschaffen worden seien. Es sei zwar richtig, neue Stellen für den Katastrophen- und Hochwasserschutz und bei der Polizei zu schaffen. Aber auch da werde sich das Problem der Suche nach geeigneten Bewerbern und Bewerberinnen stellen.

(dpa)
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