NRW-Lagebild Kriminelle Clans haben in drei Jahren 14.000 Straftaten in NRW verübt

Düsseldorf · NRW-Innenminister Reul hat das bundesweit erste Lagebild zur Clan-Kriminalität vorgestellt. In drei Jahren wurden 6449 Verdächtigen 14.225 Straftaten zugeordnet - mehr als ein Drittel Rohheits-, auch 26 Tötungsdelikte.

 Polizisten sichern während einer Razzia von Zoll und Polizei eine Shisha-Bar.

Polizisten sichern während einer Razzia von Zoll und Polizei eine Shisha-Bar.

Foto: dpa/Bernd Thissen

Das Landeskriminalamt (LKA) NRW hat sein erstes Lagebild zur Clankriminalität vorgelegt. Er löse damit ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag ein, sagte Innenminister Herbert Reul (CDU) am Mittwoch in Düsseldorf: „Wir schwurbeln nicht mehr rum und leugnen, was auf der Straße längst mit Händen zu greifen ist.“

Die insgesamt 104 im Lagebild aufgeführten Clans zu erfassen, hat die Experten für Organisierte Kriminalität vor ganz neue Herausforderungen gestellt, sagt LKA-Abteilungsleiter Thomas Jungbluth: Die 6449 Tatverdächtigen, denen zwischen 2016 und 2018 insgesamt 14.225 Straftaten in NRW zugeordnet werden, haben unterschiedliche Staatsbürgerschaften - zu 36 Prozent die deutsche. Eine Zählung sei nur durch den Familiennamen möglich gewesen, bei den zwei kriminell aktivsten Clans allerdings gibt es bis zu 18 Schreibweisen für diesen.

Mitglieder dieser beiden Großfamilien - im Lagebild anonymisiert als „Clan O“ und „Clan E“ aufgeführt - sollen fast 20 Prozent aller einschlägigen Delikte begangen haben; allein 762 der Verdächtigen gehören dem „Clan O“ an. Auffällig ist auch: Eine relativ kleine Gruppe von 381 Mehrfachtatverdächtigen ist für ein Drittel der gesamten Clan-Straftaten verantwortlich. Überrascht habe die Arbeitsgruppe, dass 20 Prozent der Täter weiblich waren - was kaum zu den stark patriarchalisch geprägten Familienstrukturen passe. Der jüngste Verdächtige sei zehn Jahre alt gewesen, der älteste 64.

Dass die Zahl von mehr als 14.000 Taten die Realität abbildet, glaubt Jungbluth nicht: „Wir müssen von einem sehr großen Dunkelfeld ausgehen.“ Nicht zuletzt wegen der großen Angst vor Rache, wenn man sich gegen die aggressiv auftretenden Clans stellt. Dazu passt, dass mehr als ein Drittel der Straftaten (5606) sogenannte Rohheitsdelikte sind. Neben Raub oder Körperverletzung zählen dazu auch 26 Tötungsdelikte im untersuchten Zeitrum, zwei davon vollendet.

Sowohl bei den Wohnorten krimineller Clanmitglieder als auch bei den Clan-Straftaten führt Essen die Liste an, gefolgt von den anderen großen Ruhrgebietsstädten. In den „Top Ten“ der Clan-Wohnorte tauchen aber auch Wuppertal (205) und der Kreis Mettmann (134) auf. Jungbluth: „In jeder Kreispolizeibehörde in NRW wohnen Clanangehörige.“

Das Lagebild soll jetzt als Basis dienen, um das weitere Vorgehen gegen kriminelle Familienstrukturen und Parallelwelten in NRW vorzugehen. „Nur wenn man ein Problem verstanden hat, kann man es lösen“, verdeutlicht Reul. Zudem solle das Lagebild laufend aktualisiert werden, um den Zuzug neuer Clans, aber auch etwaige Verdrängungseffekte durch harte Polizeimaßnahmen rasch aufzudecken.

(dpa)
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