Anrath Zu Besuch beim Queuemacher

Viele Leerstände gibt es derzeit in den alten RHW-Hallen an der Lerchenfeldstraße in Anrath. Für Leben sorgt dort Oliver Stops.

Anrath: Zu Besuch beim Queuemacher
Foto: Reimann

Anrath. Der 20. Oktober 1993 ist ein schlechter Tag für Anrath: An der Lerchenfeldstraße muss die Firma RHW, ehemals Schmitz & Co (kurz: Schmico), ein Zulieferbetrieb für Autositze, ihre Tore schließen. So hat es die ferne Firmenzentrale beschlossen. Vergeblich weist der Betriebsrat darauf hin, dass das Anrather Werk rentabel arbeitet. Auch der Versuch der Stadt Willich, gemeinsam mit RHW und der Muttergesellschaft eine Lösung zu finden, schlägt fehl. 475 Mitarbeiter stehen auf der Straße. Fast 25 Jahre liegt das mittlerweile zurück. Was ist aus dem einstigen Fabrikareal geworden? Die WZ hat sich dort umgesehen.

Anrath: Zu Besuch beim Queuemacher
Foto: Lübke

Eigentümer des ehemaligen Schmico-Geländes ist die Firma Prangenberg und Zaum aus Viersen. Der Kempener Lars Sluka, Abteilungsleiter in der Immobilien—Sparte des Unternehmens, hat derzeit mit Leerständen zu kämpfen: Erst kürzlich ist die Firma Bock Metallbau aus dem vorderen Teil des alten Fabrikgebäudes ausgezogen — und den hinteren Teil hat der Getränkelieferant Bacher-Carina schon vor etwa einem Jahr verlassen.

Zu den Mietern, die schon seit Jahren in einem Nebengebäude für Leben sorgen, zählt die Tischlerei Meier & Wüste: Thomas Meier und Holger Wüste arbeiten ganz klassisch mit Holz: Einbauschränke, Küchenmöbel, Betten, Büro- und Ladeneinrichtung, Empfangstheken und Massivholzböden gehören zu ihrem Angebotsspektrum. „Sowohl in Verbindung mit Innenarchitekten als auch mit dem Kunden persönlich verwirklichen wir Wünsche im Rahmen der technischen Möglichkeiten“, wirbt die Tischlerei. Zu tun gebe es reichlich in dem Ausbildungsbetrieb, heißt es auf Nachfrage vor Ort, die Auftragsbücher seien voll.

Viel zu tun hat auch Oliver Stops. Seine Produkte sind in Fachkreisen bekannt, denn er ist einer von nur vier Profiherstellern von Queues in Deutschland: Mit Spielstöcken für Pool-Billard beschäftigt sich der ehemalige Bundesligaspieler schon seit rund 25 Jahren.

Zur kleinen Werkstatt von Oliver Stops, der nur einen Mitarbeiter hat, kommt man über ein kahles Treppenhaus im alten Hauptgebäude von Schmico. Beim Öffnen der Tür fühlt man sich ein wenig an den Laden von Garrick Ollivander erinnert: Fast so wie der Zauberstab-Macher aus Harry Potter fertigt auch Oliver Stops seine Queues aus edlen Hölzern, die er mit Intarsien, Leder und Metallen verschönert.

Von der Decke hängen an dünnen Schnüren Dutzende Einzelteile der Billardstöcke. Zusammengesetzt ist jeder 1,50 Meter lang. Leopard-Holz, Rosenholz, schwarzes Palmholz — daraus sind die Queues gefertigt. „In heimischen Hölzern wie Ahorn oder Buche ist zuviel Luft, sie sind deshalb zu weich, was wiederum für viele Vibrationen sorgen würde“, berichtet der „Zauberstabmacher“. Benötigt werde aber ein Queue, das beim Stoß nicht nachgibt.

Jeder Billardstock wird bei Stops auf Bestellung individuell gefertigt. Da zwischendrin lange Trocknungs- und Ablagerungszeiten notwendig sind, entstehen Lieferzeiten von sechs Monaten. Die Preise bewegen sich zwischen 600 und 1500 Euro.

Nach dem Besuch beim Queuemacher geht es wieder hinaus aufs RHW-Gelände. „Hier gibt es 16 500 Quadratmeter vermietbare Fläche“, berichtet Lars Sluka. Im umliegenden Gewerbegebiet seien keine großen Leerstände zu verzeichnen, ergänzt der Willicher Wirtschaftsförderer Christian Hehnen: Die Lage sei zwar etwas versteckt und sicher nichts für jeden, aber auch für Gewerbeflächen an der Lerchenfeldstraße gebe es geeignete Unternehmen — vom Gästehaus bis zum Elektrofachbetrieb.

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