Willich: Historie - Metropolis am Niederrhein

In den 70ern gingen Stadtplaner noch davon aus, dass Willich eines Tages 140000 Einwohner haben würde.

Willich. Die achtziger Jahre sind da und mit ihnen die grundlegenden Strukturen, die heute noch das Leben bestimmen. Schlagzeilen macht die ansteigende Kriminalität - oft Kehrseite einer materiell ausgerichteten Gesellschaft.

Ein Beispiel: Am 6. Oktober 1983 wird der Vietnamese Le Van Tin vom Krefelder Landgericht zu viermal lebenslänglich verurteilt, weil er in der Nacht zu Palmsonntag 1982 in Willich die vierköpfige Flüchtlingsfamilie Ngo niedergemetzelt hat. Er brauchte Geld, um Schulden abzutragen.

Es gibt aber auch Positives: Die junge, seit 1970 aus vier Altgemeinden zusammengeschlossene Stadt Willich, bekommt endlich ihr Rathaus - aber woanders, als zunächst geplant.

Ursprünglich sollte das neue Verwaltungshaus als Zentrum einer Stadtmitte von 40000 Einwohnern in der Bauernschaft Wekeln zwischen Alt-Willich und Schiefbahn auf der grünen Wiese entstehen.

Der städtische Flächennutzungsplan von 1974 sah nicht weniger als 140000 Einwohner als Endziel vor. Visionäre Projekte machten sich breit - wie der Bau eines neuen Zentrums mit Hochbahn - Metropolis am Niederrhein.

Aber die Landeszuschüsse fließen nach Meerbusch, denn das ist Entlastungsstadt für Neuss und Düsseldorf. In Willich kommt man auf den Teppich zurück - und nimmt Schloss Neersen in den Blick, das die Stadt am 18. Januar 1971 zur Unterbringung des Technischen Dezernats erworben hat.

1973 beschließt der Rat, den seit 1859 als Brandruine verkommenden Westflügel wieder aufzubauen. Aber noch ist ein Rathaus in der Stadtmitte geplant; die Maßnahme gilt nur als Übergangslösung.

Erst als die Baukosten steigen, weil auch die genutzten Gebäude saniert werden müssen, beschließt man, Nägel mit Köpfen zu machen: Das Schloss wird zum neuen Verwaltungszentrum.

Auch die Dachgeschosse werden Bürolandschaft - mit Fenstern, deren moderne Form vielfach auf Kritik stößt. 1985 beginnt man in der Vorburg mit einem Neubau für die Fraktionen. Der ist 1989 fertig gestellt, das gesamte Vorhaben damit abgeschlossen.

Zum Jahrhundertende lässt eine Verwaltungsreform die Stadtdirektoren verschwinden: Bei den Kommunal- und Kreistagswahlen am 12. September 1999 wird die Doppelspitze aus Bürgervertretern und Verwaltungsleitern durch jeweils einen Amtsträger ersetzt.

Die Kompetenz liegt jetzt in einer Hand, ist damit schneller umsetzbar, so hofft man. Neue hauptamtliche Bürgermeister lösen die nebenamtlichen ab.

Der erste ist Lukas Siebenkotten, der seinerseits von Josef Heyes abgelöst wird. Seine Niederlage hat Siebenkotten, bis dahin einziger SPD-Bürgermeister im Kreis Viersen, lange nicht verdaut.

Trotzdem sagt er: "Besser mit 42 Jahren umorientieren als mit 56" - und gewinnt der Sache positive Seiten ab. Siebenkotten etabliert sich in Krefeld als Anwalt. Seit 2008 ist er Direktor des Deutschen Mieterbundes. (Ende)

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