Gedenken Erinnerung an Ernst Lion und seine Familie

Willich · Zeremonie „Gedenken gegen das Vergessen“: Stadtarchiv und Heimatfreunde würdigen das Leben des Juden aus Willich

 In Gedenken an jüdische Mitbürger wurden Stolpersteine auf der Bahnstraße 9 und 11 verlegt, einer davon für Ernst Lion.

In Gedenken an jüdische Mitbürger wurden Stolpersteine auf der Bahnstraße 9 und 11 verlegt, einer davon für Ernst Lion.

Foto: Reimann, Friedhelm (rei)

Vor sieben Jahren hat Thomas Beschoten am St. Bernhard Gymnasium in Schiefbahn sein Abitur bestanden. Aus seiner Schulzeit nimmt er den Beginn einer Brieffreundschaft mit, die ihn als Geschichts-bewussten Schüler eng mit einem besonders bedrückenden Kapitel der Willicher Stadtgeschichte verbindet. Und vor allem mit einer Person, an die heute gedacht wird: Ernst Lion.

Ernst Lion wurde am 12. März 1921, vor genau 100 Jahren, in Willich geboren. Ernst war der Sohn von Albert und Karoline Lion. Die Eltern betrieben eine Metzgerei an der Bahnstraße 9. Der Sohn machte 1935 seinen Schulabschluss. Er sollte ebenfalls Metzger werden, sicher den Betrieb einmal übernehmen, in die Fußstapfen des Vaters treten. Dazu kam es nicht.

1937 wurde die Metzgerei geschlossen. Auf Druck der NS-Behörden. Ernst lernte in Rheydt weiter, fand als Geselle aber keine Anstellung und wurde Landarbeiter. Ernst war da in etwa so alt wie Thomas Beschoten, als dieser sein Abiturzeugnis erhielt. Als 18-Jähriger musste Ernst seine Heimat und seine Eltern verlassen. Er reiste nach England aus, wurde nach Kriegsausbruch aber als Emigrant zum „feindlichen Ausländer“ erklärt, von den Engländern interniert, wie ein Kriegsgefangener behandelt und 1940 mit 2500 anderen nach Sydney in Australien verschifft.

Die Engländer überdachten ihre Aktion, rekrutierten auch Ernst Lion für ihre Armee. Im November 1941 kehre Lion nach England zurück und diente, unter anderem in der Normandie, bis zum Kriegsende der Armee. Ernst Lions Eltern waren 1941 nach Riga ins Konzentrationslager verschleppt und dort 1943 ermordert worden.

In Willich ließ der Sohn sich nicht mehr nieder. Er knüpfte aber an den erlernten Beruf an. Lion eröffnete 1950 in London eine koschere Metzgerei.

In den 1970er Jahre hat Lion dann mehrfach seine Geburtsstadt besucht. Bis kurz vor seinem Tode im Jahr 2012 schrieb er mit dem St. Bernhard-Schüler.

Schüler dieses Gymnasiums waren es auch, die vor Jahren die Verlegung von Stolpersteinen in der Stadt Willich anregten. Auch für die deportierten, ermordeten, aber auch geflüchteten Mitglieder der Familie Lion, die in Willich gut bekannt und, wie man heute sagen würde, durch Engagement in Feuerwehr und Schützenwesen gut vernetzt war, wurden acht Stolpersteine an der Bahnstraße 9 verlegt. An dieser Stelle wird am Freitag Ernst Lion und seiner Familie, an die seit 2018 auch ein Straßenname in Wekeln erinnert, gedacht. Vor Ort ist neben Bürgermeister Christian Pakusch unter anderem Bernd-Dieter Röhrscheid für die Heimatfreunde. Röhrscheid hat als Lehrer mit Schülern und als Co-Autor mit Stadtarchivar Udo Holzenthal die Geschichte der Juden in Willich aufgearbeitet.

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