Willich: Aufbruch zu neuem Wohlstand

Als die direkte Nachkriegszeit vorbei ist, wird das Leben wieder genossen. In den 50er Jahren boomt die Wirtschaft.

Willich. Nach den Schrecken des Krieges und den Entbehrungen der Nachkriegszeit können die Deutschen das Leben wieder genießen. Jetzt wird mächtig nachgeholt, gefeiert, getrunken und gelacht. Aber es ist eine biedere Zeit mit festen Wertvorstellungen, oft sogar intolerant. Erst durch den Zustrom der meist evangelischen Vertriebenen aus dem Osten bröckelt die Dominanz der katholischen Kirche.

Die Evangelischen formieren sich in Anrath, das bis dahin pfarramtlich mit Krefeld verbunden war. Der Zustrom von Ostflüchtlingen hat ihre Zahl von 200 auf 1200 gesteigert. So beschließt am 12. Juni 1950 das Presbyterium der landeskirchlichen Gemeinde Anrath die Gründung einer selbstständigen evangelischen Gemeinde, zu der auch das vorher von Süchteln betreute Vorst und das von Mönchengladbach versorgte Neersen gehören. Erster Pfarrer ist Ekkehard Götz. Sein Amtssitz ist Anrath, wo bereits zum Reformationsfest 1910 eine vom Gefängnispfarrer betreute Kirche eingeweiht worden war.

In Willich ist die Zahl der Evangelischen von etwa 880 auf 2.200, in Schiefbahn von 50 auf 750 gestiegen. Die dortigen Gottesdienste im Esssaal der Verseidag können nur Notbehelf sein. So erfolgt am 1. Oktober 1951 die Gründung der Kirchengemeinde Willich-Schiefbahn. Vier Jahre später bilden die Evangelischen schon 15 Prozent der Schiefbahner Bevölkerung.

Sechs Jahre nach Kriegsende lebt in Willich das Schützenfest wieder auf, und 1953 beginnt es mit einer Kranzniederlegung an den Gräbern der verstorbenen Präsidenten. Ab 1955 taucht ein Blumenkorso den Marktplatz in ein Blütenmeer, 1959 stirbt der beliebte Stabsfeldwebel Hennes Heyer. Ein Jahr später wird das 75. Jubiläum das größte Schützenfest Deutschlands: Fünf Prozent der Einwohner nehmen teil.

Die 50er Jahre sind auch die Zeit des Wirtschaftswunders: Die Industrie boomt. Im Herbst 1956 will sich die Strumpfwirkerei Günter Dilthey aus Rheydt, genannt "Nudia", in Willich ansiedeln, geht aber kurz vor Fertigstellung der Gebäude in Konkurs.

Auf Anordnung von Bundeskanzler Konrad Adenauer übernimmt die ein Jahr zuvor aus dem Boden gestampfte Bundeswehr das Gebäude als militärische Kleiderkammer. Nun zieht Willichs Gemeindedirektor Albert Krewinkel (seit 1956) die Textilfirma Müller-Wipperfürth mit 700 Arbeitsplätzen heran - geplant waren 1800, aber so viele Mitarbeiter gibt der Ort nicht her.

Der Gemeindedirektor könnte jederzeit eine Handvoll Industriebetriebe ansiedeln - wenn die nötigen Arbeitskräfte vorhanden wären.

Insgesamt werden die Menschen weltoffener. 1964 knüpfen Schiefbahn und das nordfranzösische Linselles nach einem Fußballturnier freundschaftliche Bande. Am 11. September 1966 besiegeln die Bürgermeister Deplancke und Lamers sowie der damalige Schiefbahner Gemeindedirektor Althoff die neue Partnerschaft in Linselles mit einer offiziellen Urkunde.

Nach der kommunalen Neugliederung (1970) entscheidet sich der Rat der neu gebildeten Stadt Willich für eine Ausdehnung der Partnerschaft auf die anderen Ortsteile.

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