Zu Besuch beim Obsthof Unterweiden in St. Tönis So funktioniert der Apfelanbau in Tönisvorst

Tönisvorst · Es ist Apfelblütenzeit. Und auf dem Obsthof Unterweiden entfalten die Bäume ihre Schönheit. Dabei stecken viel Arbeit und Unwägbarkeiten dahinter. Betriebsleiter Philipp Panzer erklärt, wie Anbau und Pflege funktionieren und welche Wege der Hof bei der Vermarktung geht.

 Der junge Betriebsleiter Philipp Panzer zeigt sich für den Anbau auf den Apfelplantagen des Obsthofes verantwortlich. Hier mit Marion Reichert aus der Verwaltung.

Der junge Betriebsleiter Philipp Panzer zeigt sich für den Anbau auf den Apfelplantagen des Obsthofes verantwortlich. Hier mit Marion Reichert aus der Verwaltung.

Foto: Norbert Prümen

Am Rande eines Feldes nördlich von St. Tönis riecht es nach Frühling. Bienen umschwirren den Teppich aus weiß und rosa strahlenden Apfelblüten, die einen intensiven, trotzdem frischen und leicht süßlichen Geruch verströmen. Viele der Blüten haben sich erst in den vergangenen Wochen geöffnet. „Das ist tatsächlich ein spezieller unverwechselbarer Duft“, sagt Anne Panzer (52) vom Obsthof Unterweiden. Sohn Philipp, der sich um den Anbau auf der rund 40 Hektar großen Fläche kümmert, auf der auch Birnen, Pflaumen, Erdbeeren, Pfirsiche oder Kirschen angepflanzt werden, empfiehlt, in den Abendstunden mit dem Fahrrad vorbeizufahren, dann sei der noch intensiver.

Gerade ist Bestäubungszeit. Die vielen Bienen sind nicht zufällig hier. Rund 30 Völker eines Imkers wurden für die Apfelblüte extra am Rand der Felder aufgestellt. Doch auch Hummeln, Wildbienen oder Schwebfliegen bestäuben die Blüten. Wenn diese Phase in ein paar Wochen vorbei ist, werden die Hagelschutznetze aufgespannt, die die begehrten Früchten schützen sollen. Denn solche mit Dellen – und das ist trotz der Schutzmaßnahmen jeder fünfte Apfel – können nicht mehr verkauft, lediglich zu Saft oder Apfelchips verarbeitet werden.

Anfang April noch stand die Apfelblüte in Gefahr. Nach dem warmen und sonnigen März kam der Kälteeinbruch. Philipp Panzer schlug sich die ein oder andere Nacht um die Ohren, um die Knospen mithilfe von Bewässerung und sich bildenden Eismanteln zu wärmen und sie vor dem Frost zu schützen. „Wenn das Wasser gefriert, gibt es Wärme an die Blüten ab“, erklärt der 27-jährige Betriebsleiter, der immer mehr Aufgaben auf dem Hof seiner Eltern übernimmt. Vater Karl (59) kümmert sich noch um die Vermarktung, Mutter Anne um den Hofladen und die Verwaltung.

„Es ist definitiv kein Nine-to-Five-Job“, sagt der junge Panzer, „Die Arbeit muss gemacht werden, wann sie eben anfällt.“ Geerntet wird ob der anderen Früchte eigentlich das ganze Jahr über. Die Äpfel je nach Sorte beginnend vom Sommer bis in den Herbst hinein. Und der Obsthof baut viele Sorten an. Klassische wie Jonagold, Boskop, Elstar, Pinova, Fresco, Gala, Collina, Delba, aber auch alte Sorten wie Cox Orange oder James Grief, die einige wenige Fans haben, weil sie einen individuelleren Geschmack besitzen, sagt Philipp Panzer. Die meisten neueren Sorten seien nämlich ob ihrer positiven Eigenschaften mit der Sorte Golden Delicious gekreuzt.

Die neueren bringen dafür eine bessere Haltbarkeit, harte Schale, knackigere Konsistenz, Farbe und Süße mit sich und seien deshalb bei der Großzahl der Kunden beliebter, sagt Anne Panzer.

  Summ, summ, summ – Bienenvölker wurden an der Plantage aufgestellt.

Summ, summ, summ – Bienenvölker wurden an der Plantage aufgestellt.

Foto: Julian Budjan

Damit die Äpfel groß und saftig werden, werden die Bäume auf der Apfelplantage in Unterweiden kleingehalten, im Frühjahr beschnitten und im Sommer nach dem natürlichen Junifall noch mal von Hand von einigen Äpfeln befreit. „Der Apfelbaum setzt von Natur aus zu viele Früchte an. Wenn wir nicht regulieren, bleiben sie klein und schmecken schlecht oder der Baum überbeansprucht sich und bildet im darauffolgenden Jahr viel weniger Blüten“, erklärt Philipp Panzer. 

Zwar benutzt der Betrieb durchaus Insektizide zum Schutz seines Obstes, setze sie aber immer spezialisierter ein, sodass nur Schädlinge und keine anderen Insekten angegriffen werden, in dem man bei den Spinnenmilben beispielweise die Larvenzeit abwarte, sagt Panzer. Aber auch mithilfe anderer Insekten versuchen die Obstbauern, das natürliche Gleichgewicht zu halten. In Jahren, in denen sich auf der Plantage etwa viele Obstkneifer niederlassen, werden Spinnenmilben oder Läuse natürlich bekämpft und weniger Insektizide sind notwendig. Auch arbeiten die Panzers gegen Apfelwürmer mithilfe von Pheromonen, die durch Sprühflaschen in der Luft verteilt werden, damit Weibchen ihre Männchen nicht finden und keine Eier legen.

 Im Hofladen gibt es das ganze Jahr über die Äpfel und viele andere regionale Produkte zu kaufen.

Im Hofladen gibt es das ganze Jahr über die Äpfel und viele andere regionale Produkte zu kaufen.

Foto: Julian Budjan

Eigentlich ist es eine gute Zeit für regionale Erzeuger. Denn Corona-Krise und Ukraine-Krieg haben vielen Menschen zuletzt erneut vor Augen geführt, wie anfällig das globale Ernährungssystem mit seinen Lieferketten ist. Produkte aus der Region sind gefragt. Die Familie Panzer hat sich die steigende Nachfrage schon vor vielen Jahren zunutze gemacht und sich ein Kooperationsnetz mit Supermärkten aus der Umgebung aufgebaut. Das bedeute einen Verwaltungsaufwand, sagt Philipp Panzer, aber man beliefere Globus, Edeka oder Rewe direkt, die vielen Zwischenschritte und Kosten der gewöhnlichen Lieferkette fielen weg. Rund die Hälfte der rund 1000 Tonnen geernteter Äpfel pro Jahr lande so in regionalen Supermärkten, wo mit Labels, Kisten und Beuteln auf ihre Herkunft hingewiesen wird. Ein Drittel werde direkt über den Hofladen verkauft, andere, spezielle Sorten für einen Großhändler angebaut. Die verschiedenen Standbeine in der Vermarktung verschaffen dem Betrieb Sicherheit, sagt Panzer.

Auf der anderen Seite ist da der ab Oktober auf zwölf Euro steigende Mindestlohn, den auch die rund 30 Saisonkräfte aus dem Ausland bekommen, die für einige Monate bei der Ernte helfen. „Es ist natürlich schwierig, wenn ich politisch das System an einer Stelle ändere, die Apfelpreise bei uns aber vielleicht erst in drei Jahren ankommen“, sagt Philipp Panzer. Er müsse deshalb die Arbeit noch effizienter gestalten. Früher, sagt er, sei man etwa noch mit Leitern durch die Reihen der Plantagen gegangen, mittlerweile werde von einer fahrenden Hebebühne aus gepflückt. Die Entscheidung aber, in die Fußstapfen seiner Eltern zu treten, habe er bisher zu keinem Zeitpunkt bereut.

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