Wenn Schulden drücken

Bei der Drohung, den Strom abzustellen oder die Wohnung zu räumen, kann oft nur der Berater helfen.

Willich/Tönisvorst. Wenn sie angerufen werden, ist es mit dem Konsum längst vorbei. Ein solcher ist dann unmöglich geworden. Heinz Neugebauer, Kerstin Lorenz und Johannes Jacobs sind Schuldnerberater der Arbeiterwohlfahrt (Awo). Weihnachtszeit hin oder her: Wenn sie kontaktiert werden, brennt es häufig lichterloh, wissen Menschen vor lauter Schulden nicht mehr ein noch aus. Auch wenn wir in der konsumstärksten Phase des Jahres leben.

„Es ist fast die Regel, dass der Anruf kommt, wenn es bereits 5 nach 12 ist“, sagt Johannes Jacobs. Der Klassiker: Man hat einem Schuldner vormittags gesagt, dass am Nachmittag der Strom abgestellt wird. „Gerade erst wieder geschehen“, sagt Jacobs, der sich um die Beratung in Willich kümmert. Seine Kollegin Kerstin Lorenz, die einmal im Monat auch Sprechstunden im St. Töniser Marienheim abhält, kennt das. „Oft sind die Menschen aufgelöst, wenn ihnen beispielsweise Erzwingungshaft angedroht wird.“

Hier ist erstmals der Punkt erreicht, an dem die Schuldnerberater ihre Klienten beruhigen können. „Wegen Schulden kommt niemand in Haft“, sagt Heinz Neugebauer. „Jedenfalls nicht, so lange keine Straftat vorliegt.“

Zurück zum ersten Kontakt: Wie schnell bekommen die Menschen einen Termin? „Es kann schon vier bis sechs Wochen dauern, auch wenn man versucht, es schneller hinzubekommen“, sagt Kerstin Lorenz. Natürlich versuche man auch gleich am Telefon zu helfen, quasi Erste-Hilfe-Maßnahmen zu ergreifen.

Johannes Jacobs, der sein Büro im Beschäftigungs- und Leistungszentrum in Willich hat, wird oft noch unmittelbarer mit der Situation konfrontiert. „Die Menschen stehen dann vor meiner Tür, kommen direkt vom anderen Flur, nämlich von ihrem Fall-Manager.“

Wer kommt zu den Schuldnerberatern? „Zunehmend ältere Menschen, Senioren“, weiß Neugebauer. Und Menschen, die arbeitslos geworden sind, ihren Kostenapparat nicht mehr bedienen können. Arbeitslosigkeit, Scheidung, Geburt von Kindern. Tatsächlich geht’s dann oft nach dem gleichen Muster: Die Betroffenen versuchen, ihre Angelegenheit alleine zu regeln. Das geht daneben. Die Bank hilft oft nicht wirklich, sondern schuldet um, schafft so die Voraussetzung dafür, dass der Kreislauf weiter gehen kann. Aus ursprünglich 40 000 Euro sind so schnell 70 000 geworden. Das Konto wird wieder bis zum Anschlag überzogen, Rechnungen landen in der Schublade oder gleich im Mülleimer.

Wie können die Experten helfen? „Irgendwas geht immer. Hoffnungslos ist es selten“, sagt Kerstin Lorenz. Sie und ihre Kollegen reden mit den Gläubigern, versuchen, Vereinbarungen zu treffen.

Ganz wichtig: die Rechte der Schuldner. Pfändungsfreies Konto, Pfändungsgrenze und vieles mehr. Oft hilft es auch schon, wenn die Korrespondenz über den Schuldnerberater läuft. Dem macht der oft rüpelhafte Ton, in dem Geld gefordert wird, nichts aus.

Was Jacobs Schuldnern mit auf den Weg gibt: „Wenn samstagsnachmittags jemand von der Targo-Bank anruft, kann man auch auflegen.“

Sauer können die Berater werden, wenn ein Klient sich nicht an eine Abmachung hält. Wie neulich geschehen: Nach einem halben Jahr gab’s schon wieder 90 Gläubiger. „Manche sind tatsächlich schwer beratungsresistent“, sagt Jacobs.

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