Was tun, wenn man belästigt wird?

Initiative: Betroffene erzählen von ihren Erfahrungen. Kurse sollen Kinder stärken.

Tönisvorst. Es ist eines der Tabu-Themen unserer Gesellschaft: der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen. Es ist keineswegs ein Zug der Zeit. Das Thema beschäftigt die Menschen über Generationen. Und die (oft unsichere) Art des Umgangs ist immer noch die gleiche. Die WZ hat zwei Beispiele, die das belegen.

Redakteur Peter Korall war als Kind einmal betroffen. „Das war in den späten 60er Jahren“, erinnert sich der heute 51-Jährige. „Ich war mit meiner Mutter und Verwandten zum Schwimm-Nachmittag ins Hallenbad gefahren.“

Klar, dass das Kind schon in die Männerumkleide ging. Gemeinsam mit einem anderen Jungen. Plötzlich tauchte ein Mann in der Sammelumkleide auf. „Er guckte mich ganz komisch an, baute sich vor mir auf, öffnete seine Hose und holte sein Geschlechtsteil heraus.“ Der Junge tat das einzig Richtige: er floh. „Aus einem Impuls heraus“, erinnert er sich. „Ich war durch nichts und niemanden auf eine solche Situation vorbereitet. Allerdings hatte ich auch keine Zeit, schockiert zu sein.“

Eines räumt er heute ein: „Hätte meine Mutter mich nicht gefragt, wieso wir so lange gebraucht haben, bis wir im Bad waren, ich hätte nichts gesagt.“ So offenbarte sich das Kind. Die Mutter brachte es sofort zum Schwimmmeister. Bevor der sich daran machte, ein Protokoll zu verfassen, entlockte er dem Jungen eine grobe Täterbeschreibung. Wenig später gelang es der Polizei, einen 18-Jährigen festzunehmen.

„Ich weiß nicht, wie das weitergegangen ist“, sagt der Redakteur heute. „Ich will es auch nicht wissen.“ Es sei ein großes Glück gewesen, dass er unbeschadet aus der Situation herausgekommen sei und auch keine Schäden davongetragen habe. Aber: Aufgearbeitet wurde das Ganze nie. Es wurde im Bad ein umfangreiches Protokoll geschrieben, für den Jungen war’s das.

Christina Achtnich, Sprecherin der Niederrheinwerke in Viersen, hat als Kind eine Situation erlebt, von der sie erst im Nachhinein dachte, dass dies möglicherweise der Beginn einer Belästigung war. „Ich wurde als Kind ganz leicht von einem Auto angefahren. Nichts Schlimmes. Eigentlich war auch klar, dass ich unverletzt geblieben war.“ Dann jedoch bot sich der Autofahrer an, sie nach Hause zu bringen. „Ein fremder Mann. Ich wollte das nicht“, sagt die 43-Jährige. Erst in der Rückschau habe sie mehrfach darüber nachgedacht, dass dies möglicherweise der Versuch war, sie „mitzunehmen“.

Beide Fälle könnten sich heute genau so ereignen. Umso wichtiger, dass Kinder das Rüstzeug an die Hand bekommen, sich zu wehren.

Mit der Aktion „Ich bin stärker“ wollen Westdeutsche Zeitung und Stadtwerke Tönisvorst (Niederrheinwerke) dazu beitragen. In Kursen lernen Jungen und Mädchen, wie sie sich entziehen können. „Das ist unglaublich wichtig. Im Nachhinein möchte ich mir für mich nicht ausmalen, wie das hätte enden können“, sagt Korall. Achtnich: „In den Kursen lernen Kinder und Jugendliche praktische Techniken, was sie tun können.“

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