Von unromantischen Räuberinnen

Eine Lesung über Frauen, die irgendwie versuchen, zu überleben.

Neersen. Ein sozialgeschichtlicher Rückblick machte aus dem Schlosskeller jetzt eine Räuberhöhle, oder besser gesagt: eine Räuberinnenhöhle. Christine Csar zeichnete ein sehr differenziertes Bild von den Frauen, die in der Zeit vom 17. bis zum 19. Jahrhundert raubten, um mit ihren Familien zu überleben. „Die großen Räuberinnen und Sackgreiferinnen“ ist mehr als nur eine Lesung: In 75 Minuten werden die Zuschauer in eine Zeit entführt, in der ein wahrlich rauhes soziales Klima herrschte.

Die Trommelschläge, ausgeführt von Alexander Link, vermitteln den Eindruck großer Dramatik. Christine Csar liest Auszüge aus Biografien, lässt Wanderhuren, Merhfachausbrecherinnen, Sacklangerinnen und Baldowerinnen zu Wort kommen. Claudia Dölker, Verena Held und Veronika von Lauer-Münchhofen verkünden singend: „Und die Moral von der Geschicht’: Häng“ dich an keinen Galgen nicht.“

Christine Csar gelingt es, ein gewisses Verständnis für die in die Kriminalität abgerutschten Frauen zu wecken: „Entweder stehlen und den Galgen riskieren oder gleich armselig verrecken.“ Gleichzeitig schafft sie es, die Rolle der Diebinnen nicht zu romantisieren. „Das Räuberleben war nie romantisch, immer nur grausam, für die Überfallenen ebenso wie für die, die damit ihren Lebensunterhalt bestritten.“

Beleuchtet werden konkrete Räuberinnen-Schicksale wie das der Schweizerin Clara Wendel. Auszüge aus zeitgenössischen Gerichtsprotokollen spiegeln die Rohheit der damaligen Zeit wider. So drohten drastische Strafen selbst bei kleinen Vergehen.

Die Besucher konnten ihren Wortschatz erweitern mit Begriffen aus der Diebessprache, die zumeist dem Deutschen und dem Hebräischen entliehen waren. So bedeuteten Schottenfellerin Marktdiebin und mit Balbos war der Wirt gemeint.

Fast schon komödiantisch: Die Szene, in der ein Ehepaar (Hartmut Scheyhing und Veronika von Lauer-Münchhoven) in Streit geraten. Die Kleinbürger wollten einer Hinrichtung beiwohnen, der Mann hatte vergessen, die „Butterbröter“ einzupacken.

Die sozialkritisch durchgefärbte Inszenierung erinnerte daran, dass auch im 21. Jahrhundert neben sehr viel Überfluss die Armut sich immer stärker ausbreitet. Die Lesung wird am kommenden Mittwoch um 20.30 Uhr im Schlosskeller wiederholt.

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