Stadtentwicklung Tönisvorst: Zeit für Neues in Sachen Wohnen

St. Tönis · Eine Handvoll Interessierter will ein Wohnprojekt in Tönisvorst realisieren. „Cohousing“ heißt das Konzept.

 Mehrere Generationen arbeiten am Wohnprojekt (v.l.): Matthias Eloo, David, Lisa, Marlene und Joachim Schönecker, Robert Marlinghaus sowie Ute und Jörg Eloo.

Mehrere Generationen arbeiten am Wohnprojekt (v.l.): Matthias Eloo, David, Lisa, Marlene und Joachim Schönecker, Robert Marlinghaus sowie Ute und Jörg Eloo.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

Petra und Robert Marlinghaus stammen aus dem Sauerland und haben schon in den verschiedensten Ecken Deutschlands gelebt und gearbeitet. Seit rund 20 Jahren wohnen sie in St. Tönis, in einer Doppelhaushälfte in der Nähe der Mühle. Inzwischen sind beide um die 50, die Kinder sind aus dem Haus. In Sachen Wohnen ist es Zeit für etwas Neues, findet das Ehepaar. Petra und Robert Marlinghaus sind von der Idee des „Cohousing“ begeistert. Gemeint ist – analog zum bekannteren Begriff „Coworking“ aus der Berufswelt – ein freiwilliges Neben- und Miteinander unter einem Dach. „Mehrgenerationenhaus“ lautet ein bekannteres Schlagwort. „Enger als eine gute Nachbarschaft – aber keine Großfamilie“, so bringen sie die Philosophie eines solchen Wohnprojekts auf den Punkt.

Gemeinsame Aktivitäten und
Unterstützung im Alltag

Darum geht es: Familien, Alleinerziehende, Rentner könnten in jeweils für sich abgeschlossenen Wohnungen leben, verbunden durch die gemeinsame Idee, die gemeinsame Investition, gemeinsame Aktivitäten – und einen Gemeinschaftsraum. „Hier könne man einmal wöchentlich zusammen kochen und essen, oder am Sonntagabend den Tatort in großer Runde schauen“, nennen die Initiatoren Beispiele. Auch Unterstützung im Alltag ist ein Thema: Die Rentnerin könnte als Ersatz für die weit entfernt lebende Großmutter gelegentlich auf die Kinder im Haus aufpassen. Umgekehrt könnten Mitbewohner ihr den beschwerlichen Einkauf abnehmen, oder sie zum Arzttermin fahren.

In Skandinavien stößt man
häufiger auf solche Projekte

In Skandinavien sind solche Wohnprojekte häufig, und auch in Deutschland gibt es zahlreiche gute Beispiele, heißt es aus dem Tönisvorster Kreis. Jetzt könnte solch ein Projekt auch hier realisiert werden, denn eine Handvoll Interessierter hat sich schon zusammengefunden. Unter anderem die Familien Eloo und Schönecker sind mit dabei. Nach Posts auf Facebook, die auf die „Cohousing-Toenisvorst“-Internetseite verweisen, meldeten sich Menschen aus Süchteln, Wachtendonk und Köln. „Wir denken an eine Immobilie mit 15 bis 20 Wohneinheiten“, sagen die Familien.

Der nächste Schritt: der Kerngruppe einen festen Rahmen (zum Beispiel in Form eines Vereins) geben, mit Politik und Verwaltung über die Planungen sprechen und um Unterstützung bitten – vielleicht bei der Ausweisung von Bauflächen. „Zwar wäre auch ein Bestandsobjekt denkbar, aber für die Berücksichtigung der unterschiedlichen Bedürfnisse künftiger Bewohner wäre ein Neubau vermutlich zweckmäßiger“, sagt Robert Marlinghaus.

Das Projekt ist keinesfalls
ein Investitionsobjekt

Eines ist der Gruppe wichtig: Wer in Zeiten des Immobilienbooms ein Investitionsobjekt sucht, ist bei den „Cohousing“-Anhängern an der falschen Adresse. „Wir suchen Menschen, die von dem Konzept überzeugt sind und selbst dort wohnen möchten. Sie melden sich wegen der Idee, nicht wegen einer Wohnung und auch nicht wegen des Wohnorts.“ Die Gruppe geht nach eigener Aussage ohne Naivität an die Sache heran. „Wir wissen heute nicht, ob sich das Projekt realisieren lässt.“ In Kaarst seien ähnliche Planungen gescheitert. „Dafür wissen wir von vielen Erfolgen beispielsweise in Kempen und Düsseldorf.“ In Tönisvorsts Nachbarstadt Kempen steht seit 2014 ein Mehrfamilienhaus des Vereins „Besser Gemeinsam Wohnen“ im Neubaugebiet „An der Kreuzkapelle“ – übrigens unweit der St. Töniser Straße.

Bleibt die spannende Frage der Auswahl: Wer passt ins Projekt, wer könnte womöglich Unfrieden stiften? „Das wird sich in dem langen Prozess zwischen ersten Kennenlern-Treffen und Notartermin herausstellen“, hofft Robert Marlinghaus. Grundsätzlich seien Meinungsverschiedenheiten, ja sei sogar konstruktiver Streit beim Planen und Bauen ganz normal. Er könnte das Gemeinschaftsgefühl stärken. „Wir würden aber auf jeden Fall so planen, dass ein großer Krach nicht die ganze Gemeinschaft auseinanderreißt.“ Das wäre natürlich nicht im Sinne der Erfinder.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort