Theaterstück im Corneliusforum Vom Herzensbrecher zum Psychopathen in einer Sekunde

Tönisvorst. · Mit einem Psychothriller nach Agatha Christie ist der Stadtkulturbund Tönisvorst in die neue Spielzeit gestartet.

 Die Hauptdarsteller Sarah Elena Timpe und Sasa Kekez auf der Bühne im Corneliusforum.

Die Hauptdarsteller Sarah Elena Timpe und Sasa Kekez auf der Bühne im Corneliusforum.

Foto: Wolfgang Kaiser (woka)

Welche Frau wäre nicht schwach geworden? Gut aussehend, charmant und abenteuerlustig ist dieser Bruce Lovell, den Sasa Kekez ganz großartig spielt. Die junge Cecily, die Sarah Elena Timpe mit Naivität und Überdrehtheit ausstattet, ist jedenfalls hin und weg, als der geheimnisvolle Fremde plötzlich auf ihrer Türschwelle steht, angeblich, um die Wohnung zu besichtigen, die Cecily und ihre Freundin Mavis (Franziska Janetzko) für drei Monate untervermieten wollen.

Die Zuschauer im Corneliusforum, in dem der Stadtkulturbund Tönisvorst mit „Der Fremde im Haus“ die neue Spielzeit eröffnete, ahnen schnell, dass mit diesem jungen Mann etwas nicht stimmt, zumal das Stück als Psychothriller angekündigt ist. Wie immer bei der britischen Schriftstellerin Agatha Christie, aus deren Feder der Thriller stammt, sind es kleine Hinweise, im Theater unterlegt mit dramatischer Musik, die die Zuschauer aufmerksam werden lassen und eine Fährte legen.

Wie sich diese Hinweise im Laufe des fast dreistündigen Stücks steigern und wie sich im gleichen Zeitraum Bruce Lovell vom charmanten Sonnenschein zum irren Psychopathen verändert, ist sehr spannend anzusehen. Dazu trägt ganz entscheidend das Spiel von Sasa Kekez bei. Der 36-Jährige vollzieht eine Wandlung, für die große Schauspielkunst vonnöten ist. Von einem Moment auf den nächsten schafft er es, ein völlig anderes Gesicht zu zeigen, teilweise ist das bis zur Fratze verzerrt. Dass der Schauspieler den Mut hat, völlig aus sich herauszugehen, vollendet die verblüffende Wirkung.

Agatha Christie brachte das
Bühnenstück bereits 1936 heraus

Cecily bekommt davon nichts mit und will es wohl auch nicht sehen. Zu gern möchte sie glauben, den Traummann fürs Leben gefunden zu haben. Schließlich aber ändert auch Sarah Elena Timpe ihr Spiel. Aus der lebenslustigen, gutgläubigen jungen Frau wird ein unsicheres, verängstigtes Wesen, das sich unterwirft und alle Leichtigkeit verliert. Zu häufig sind die Ausfälle des Mannes, mit dem sie in einem einsamen Landhaus lebt, zu bedrohlich ist sein immer aggressiveres Verhalten.

Unter der Regie von Thomas Rohmer wird aus dem Stück von 1936 ein Psychothriller, der sich der heutigen Zeit anpasst und dennoch zeitlos ist. Statt des toten Telefons im Original ist es hier ein Smartphone, das in dem abgelegenen Cottage, das Bruce für sich und seine frisch angetraute Frau aussucht, keinen Empfang hat. Etwas altertümlich wirkt die Dunkelkammer im Keller, die niemand betreten darf, weil Bruce dort angeblich seine Fotos entwickelt. In Zeiten von Digitalkameras eher ungewöhnlich, aber möglich.

Letztlich ist „Der Fremde im Haus“ ein stringentes Werk, das die Zuschauer vom ersten Moment an fesselt. Das liegt auch am Ensemble der Theatergastspiele Fürth, zu dem neben den beiden Hauptdarstellern noch Markus Baumeister gehört, der den Ex-Verlobten Nigel spielt, welcher neben Bruce völlig verblasst, Johanna Liebeneiner, die die nervige Tante Lulu sehr gut mimt, Norbert Heckner als Landarzt und Michael Kausch als Gärtner, der aber nicht der Mörder ist.

Der Zuschauer, gut trainiert dank des sonntäglichen Fernsehkrimis, weiß es bereits, und auch Cecily ahnt es: Der Mörder ist Bruce. Fünf Frauen soll der Psychopath auf dem Gewissen haben. Und nun zeigt sich, dass es lebenswichtig sein kann, sich in der Weltliteratur auszukennen. Cecily erinnert sich im letzten Moment an ihr Lieblingsbuch: Geschichten aus Tausend und einer Nacht. Wie die kluge Sheherazade im Märchen, die ihren Mann jeden Abend mit fesselnden Geschichten unterhält, um ihr Leben zu retten, spinnt auch Cecily eine Geschichte, die Bruce davon abbringen soll, sie zu töten – und, wie sich im großen Showdown zeigt, die Zeit überbrücken soll, bis das Gift wirkt, das sie in seinen Kaffee gerührt hat.

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