Verabschiedung der technischen Beigeordneten in Willich „Nur verwalten? Nicht mein Ding“

Willich · Gestalten – das wollte und konnte Martina Stall in Willich mehr als zwei Jahrzehnte.

 Martina Stall wohnt in Schiefbahn, fühlt sich sehr wohl. Sie ist von Kunst umgeben. Die Leinwand hinter ihr hat sie mit ihrem Sohn vor Jahren bemalt.

Martina Stall wohnt in Schiefbahn, fühlt sich sehr wohl. Sie ist von Kunst umgeben. Die Leinwand hinter ihr hat sie mit ihrem Sohn vor Jahren bemalt.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

Martina Stall (64) war 24 Jahre lang Technische Beigeordnete der Stadt Willich, zuständig für alle Belange von Natur und Lebensraum. Konkret meint das „Wohnen und Gewerbe“, „Stadtplanung“ und „Landschaft und Straßen“. Vor ihrem letzten offiziellen Tag in ihrem Büro im Technischen Rathaus in Neersen hat sie der WZ bei sich zu Hause in Schiefbahn ein Abschiedsinterview gegeben.

Was hat Sie dazu bewogen, Architektur zu studieren?

Stall: Das war eine pragmatische Entscheidung. Ich wollte wie meine Mutter zur Sporthochschule nach Köln, doch ich hatte mit 16 einen schweren Unfall. Die Leistung hätte nicht für die Hochschule gereicht. Also habe ich analysiert, was ich gut in der Schule konnte: Mathematik und Kunst. Die Kombination ging in der Architektur auf. Ich habe mit 16 mein erstes Haus entworfen. Die Zeichnung müsste noch irgendwo sein.

Warum wurde es im beruflichen Lebenswerk viel mehr als das Planen von neuen vier Wänden?

Stall: Städtebaulich kann man über das Gesamte schauen, sehen, wie alles harmoniert. Da kam das Stadtkind in mir wieder heraus.

Wie viel gestalterischen Spielraum hatten Sie im Spannungsfeld von städtischem Haushalt, Weichenstellung der Politik und Ideen-Luftschlössern externer Planungsbüros?

Stall: Planung hat erst einmal nichts mit Geld zu tun, sondern zuvorderst mit den Aspekten Umwelt und Stadtentwicklung. Da ist man erst einmal frei. Verwaltung muss Ideen und das Machbare zusammenführen und dies immer unter dem Anspruch, die Stadt weiterzuentwickeln. Nur verwalten, das war und ist nicht mein Ding. Lange Jahre ist das in Willich gut gelungen.

„Erstklassige Fachkraft“ hat Ralf-Hasso Sagner Sie bei einer Wiederwahl gelobt. Mussten Sie sich das Lob als Frau stärker erkämpfen?

Stall: Ich hatte nie das Gefühl, dass ich es deutlich schwerer gehabt hätte als ein Mann. Beigeordnete in dem Bereich zu werden, das hat sich ja mit der Zeit entwickelt. Öffentliche Verwaltung war in meinen Anfängen deutlich männlicher geprägt. Aber es war und wäre mir egal gewesen, eine Quotenfrau zu sein. Da kann man selbstbewusst sein, weil ich weiß, ich kann es.

Seit wann war Ihnen der ökologische Ansatz Ihrer Arbeit so wichtig? Durch ein Ereignis forciert?

Stall: Da nenne ich die Euroga 2002plus. Damals haben Mitarbeiter viele ökologische Impulse gesetzt, die wir gerne aufgegriffen haben. Wir haben uns für die Stadt und den Planeten Gedanken gemacht, hatten in Willich kreisweit das erste Klimakonzept, den ersten Klimamanager. Schade, dass ich das Projekt „Global nachhaltige Kommune in der Landesarbeitsgemeinschaft Agenda 21 NRW“ mit Willich als einer Modellkommune nicht zu Ende begleiten kann.

Wenn Sie eine Reisegruppe durch die Stadt Willich führen sollten, welche fünf Punkte würden Sie auf jeden Fall ansteuern?

Stall: Erste Wahl wären Schloss Neersen mit Park, dann das Stahlwerk Becker, einer der Golfplätze Duvenhof oder Renneshof. Und dann Schiefbahn, wo ich wohne. Es ist sehr kompakt. Ich finde es dort sehr schön. Ab Mitte 2019 würde ich auch den umgebauten Marktplatz in Willich ansteuern.

Wenn Sie sich ein Zeugnis ausstellen müssten über Umgesetztes in dieser Stadt in einer Spanne von fast einem Vierteljahrhundert, welche Noten würden Sie sich geben – für Wekeln, Stahlwerk Becker, die Stadtteil-Umgestaltungen?

Stall: Das möchte ich nicht benoten. Ich kann aber sagen, dass 95 Prozent dessen, was man außen sieht, so geworden ist, wie ich es mir vorgestellt habe. Beispiel Neersen: Es hat sich extrem verändert, mit Schlosspark, dem Technischen Rathaus, dem Parkplatz davor, mit Vollsortimenter, den es früher nicht gab, und Minoritenplatz. Ich bedaure, dass das Fremdwasserbeseitigungskonzept zerredet und beerdigt wurde.

Wie viele Gespräche haben Sie und Ihr Nachfolger Nachtwey bereits geführt?

Stall: Wir haben uns zwei Mal getroffen und über konkret anstehende Themen gesprochen. Doch die Ortskenntnis muss er sich selber holen.

Sie wirken als Typ quirlig, zupackend. Ihre Hobbys strahlen eher Ruhe aus – das Golfen, das Malen. Ist es die Konzentration auf ein Ziel, ein Ergebnis, das Sie reizt?

Stall: Irgendeinen Sport muss ich machen. Golf ist allein durch das je nach Platz immer andere Naturerlebnis sehr reizvoll. Nach zwei Schlägen habe ich den Kopf frei und denke nur noch an Golf. Beim Malen kann ich kreativ sein, Formen, Farben und Materialen sehr intuitiv einsetzen. Ich lasse dann einfach raus, was mir durch den Kopf schießt.

Sie reisen gern. Sind Sie der Typ Städtetrip, Camper oder Wellness-Urlaub?

Stall: Camper, nee. Aber ich will die Welt sehen, war in Amerika und China. Australien, Neuseeland und Südamerika kenne ich noch nicht.

Was wünschen Sie Ihren Mitarbeitern für 2019?

Stall: Dass die Akzeptanz durch die Politik größer wird.

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