St. Töniser auf den Philippinen: Lebensretter im Nebenjob

Der St. Töniser Christian Ullmann war für eine internationale Hilfsorganisation auf den Philippinen.

St. Tönis. Es ist heiß. Sehr heiß. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit ist der Gestank noch stärker. Verwesende Tiere am Straßenrand. Die Bilder im Fernsehen hätten zwar schon das Ausmaß der Zerstörung erahnen lassen. Aber nun — direkt vor Ort im philippinischen Palo — seien die Eindrücke ungleich intensiver gewesen, sagt Christian Ullmann nach seiner Rückkehr.

Kurz nachdem der Taifun „Haiyan“ auf den Philippinen gewütet hat, bekam der 33-Jährige aus St. Tönis eine SMS von der „International Search and Rescue“- Organisation (I.S.A.R.). Dort engagiert sich Ullmann ehrenamtlich. Er könne sich schon mal bereit machen. Sachen packen. Dem Arbeitgeber Bescheid geben. Drei Tage später landet er in Tacloban, einer Stadt im Nordosten des Landes mit knapp 220 000 Einwohnern. Und nach dem 8. November beinahe vollständig zerstört. Von dort geht es direkt nach Palo — ähnlich schwer gezeichnet vom Taifun.

„Alles was nicht aus Backstein war, war niedergerissen“, erzählt Ullmann, der im Hauptberuf Diplomingenieur für Maschinenbau ist. „Wenn ich über das Land geguckt habe, sah das aus wie eine einzige Müllhalde.“

Dieser „Nebenjob“ für Ullmann war sein erster Auslandseinsatz. Mit 39 weiteren Rettungskräften, nebenberuflichen Helfern, Ärzten, Krankenschwestern und Feuerwehrmännern half Ullmann dabei, etwas wie Normalität nach der verheerenden Naturkatastrophe zu schaffen. Vor allem der Wille zu helfen, treibe die Mitglieder der I.S.A.R. an.

Gemeinsam mit seinem Team baute Ullmann ein Feldhospital in der Stadt auf. Allein in den rund zehn Tagen seiner Tätigkeit versorgten sie 2400 Patienten. Manche von ihnen schwer verletzt. Über 200 wurden unter Narkose behandelt. Andere kamen ins Lazarett, kurz davor ein Baby zu bekommen. „Eine schwangere Frau kam nachts mit ihrem Mann auf einem Motorroller angefahren“, sagt Ullmann. Kurz darauf brachte sie ein Kind zur Welt. „Ansonsten haben wir nachts selten gearbeitet. Da gab es die Ausgangssperre.“

Die Truppe kümmerte sich zusätzlich um die Organisation und die Kommunikation zwischen den jeweiligen Teams in den Krisengebieten und der Haupteinsatzstelle. Ullmann sagt, er und seine Kollegen seien „die Mädchen für alles gewesen“. Patienten durch die Gegend tragen, aber auch leichte medizinische Eingriffe, um die Ärzte zu entlasten. Eben helfen, wo es nur geht.

Bei den vielen Eindrücken hätten Ullmann zwei Dinge besonders beeindruckt. „Das positive Denken, die ständige Freude der philippinischen Bevölkerung am Leben“, sagt er. „Obwohl dort alles in Schutt und Asche liegt.“ Die Philippinen hätten sich nicht unterkriegen lassen — im Gegenteil. „Sie waren sehr dankbar für unsere Hilfe, haben viel gelacht und versucht, ihr Leben wieder aufzubauen.“

Was ihn noch beeindruckt hat? „Dass Hilfe aus der ganzen Welt gekommen ist“, so Ullmann. „Nicht nur aus Deutschland oder den USA.“ In den ersten Tagen hat sein Team unter anderem mit einer belgischen Hilfseinheit zusammengearbeitet und das Hospital aufgebaut. „Es ist schön, dass die Hilfe direkt ankommt.“ Viele seien so schwer verletzt gewesen, dass sie ohne die Hilfe im Lazarett nicht überlebt hätten. „Das gibt mir viel, weil man im Team, gemeinsam, so viel erreichen kann“, erklärt der gebürtige Hannoveraner.

Nun, nach dem Abzug der I.S.A.R.-Truppe, übernimmt der Arbeiter-Samariter-Bund das Lazarett. Mittelfristig, so Ullmann, soll diese an örtliche Organisationen übergeben werden.

Für Ullmann, vor rund 18 Monaten nach St. Tönis gezogen, ging es einen Tag nach seiner Rückkehr aus Palo weiter wie gewohnt. Er fuhr wieder zur Arbeit, ins ruhige Moers.

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