St. Tönis: Muss der Notarzt zum Patienten?

Weil es ihrem Vater schlecht ging, wandte sich eine St.Töniserin an den Hausarzt-Notruf.

St. Tönis. Martina Schmidt schüttelt den Kopf. "Das hätte ich mir nicht vorstellen können." Noch immer ist die St.Töniserin hoch erregt, wenn sie an die frühen Morgenstunden des vergangenen Freitags denkt.

Sie war von Mutter und Geschwistern gerufen worden, die sich große Sorgen um den Vater machten. Die Frau versuchte daraufhin, den hausärztlichen Notdienst zu bekommen - und hatte Schwierigkeiten.

Der Reihe nach. "Mein Vater ist ein Pflegefall, bisher lebt er zu Hause", schildert sie. Der Mann ist sterbenskrank, hat Krebs im Endstadium. Als Martina Schmidt gegen 6.45 Uhr angerufen wurde, war die Not groß. "Alle dachten, der Vater stirbt." Der Mann war kollabiert und hatte den kalten Schweiß auf der Stirn, schnappte nach Luft. Eventuell ein Herzanfall, dachten die Angehörigen.

Ein Ableben lag durchaus im Bereich des Möglichen. Die Familie weiß, dass das jederzeit passieren kann, der 76-Jährige ebenfalls. Und er hat mehrfach den Wunsch geäußert, möglichst nicht mehr in ein Krankenhaus gebracht zu werden. Weshalb die Familie sich in dieser Situation an den Hausarzt gewandt hatte.

Es dauerte eine Weile, bis Martina Schmidt an die richtige Nummer kam, die Handynummer des Hausarzt-Notdienstes (siehe Kasten). "Ich habe Dr. Habermehl die Situation geschildert. Dann hat er gesagt, so wie ihm der Fall erzählt werde, könne man nicht viel machen" - eine Äußerung, die der Mediziner mehrfach wiederholt habe. Auf jeden Fall solle man dem Vater zu trinken geben. Und die Familie solle seine Wünsche respektieren. "Er hat nicht mal auf den Notruf 112 verwiesen." Aufgebracht beendete Martina Schmidt das Gespräch.

Mittlerweile war’s kurz vor 8 Uhr. Die Familie erreichte den Hausarzt. "Dr. Haverkamp ist sofort ins Auto gesprungen und zu uns gekommen", sagt die St. Töniserin. "Der hat seinen ganzen Praxisbetrieb auf den Kopf gestellt, bloß um dem Vater zu helfen."

Bis Mittag war er zweimal im Haus und hatte mit der Frau des Patienten mehrere Telefonate geführt. Auf sein Anraten hin wurde der Mann schließlich doch ins Krankenhaus gebracht. Im Antoniuszentrum legte man ihn auf die Intensivstation, wo die Ärzte feststellten: Es lag eine leichte Lungenembolie vor.

"Ich bin doch überhaupt nicht gebeten worden, zu kommen", reagiert Dr. Viktor Habermehl. "Ich habe die Frau gefragt: ,Was kann ich für Sie tun?’" Natürlich wäre er hingefahren, hätte man ihn darum gebeten, betont der Allgemeinmediziner.

Die meisten Angehörigen seien von ihrem jeweiligen Hausarzt schon gut versorgt. Aber so einfach ohne Informationen könne niemand verlangen, dass er auf der Matte stehe. Dazu habe Frau Schmidt ihn nicht ausreichend mit Fakten versorgt. Eigentlich sei das ein klarer Fall für den Hausarzt gewesen.

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