St. Tönis: Seniorenheim : „Corona: Ein Kampf ums Überleben“
St. Tönis Die kritische Phase in der Pandemie im Seniorenhaus in St. Tönis aus der Sicht einer Covid 19-Infizierten, eines Angehörigen und einer Pflegerin.
„Ich möchte so etwas nicht noch einmal erleben. Das war ein Kampf ums Überleben.“ Anstrengung, Müdigkeit, Erschöpfung – die Bürde vergan gener Wochen schwingt in Monika Tulodzieckas Stimme mit. „Das war nicht einfach nur körperlich anstrengend. Es war auch eine enorme psychische Belastung.“ Sie freut sich auf ein paar Tage Urlaub mit ihrem Sohn. Er hat seine Mutter über Wochen entbehren müssen. Sie war jede wache Stunde, sieben Tage die Woche, mit ihren Gedanken bei ihren Schützlingen und Kollegen, als Wohnbereichsleiterin im St. Töniser Seniorenheim noch häufiger als sonst vor Ort. Dort, wo zwischenzeitlich 21 betagte Männer und Frauen das Covid 19-Virus in sich trugen, teilweise schwer erkrankten und sieben im Zusammenhang mit Corona sogar starben.
Sieben-Stunden-Schichten in kompletter Schutzkleidung
Ein Kampf um Leben, gegen die Corona-Erkrankung und den Tod. Nicht immer zu gewinnen. Für die Mitarbeiter in der Isolierstation des Wohnbereichs 3, dort, wo die infizierten Männer und Frauen räumlich zusammengezogen wurden, war es ein Turnus von Sieben-Stunden-Schichten in Schutzkleidung von Kopf bis Fuß: Mundschutz, Brille, Anzug. „Ich hatte täglich Kopfschmerzen“, sagt Schwester Monika. Sie drückt mit dem Finger auf die Mitte ihrer Stirn. Da schmerzte es nach Schichtende. Wie die Druckstellen hinter den Ohren. „Ich hatte keine Zeit. Nicht einmal für Angst um mich.“
Am Mittwoch nach Ostern, vormittags um 11 Uhr, war das Virus Covid 19 plötzlich im Haus. Aller Abschirmung zum Trotz. Ein Mitarbeiter meldete Hartmann sein positives Testergebnis. Das Haus der Alexianer stellte auf Krisenmodus um. Schon zuvor hatte man alle Bewohner vorsichtshalber auf ihren Zimmern betreut, Besuche von außen untersagt. Wege minimieren, Ansteckungsgefahr senken. Vorsicht durch Verzicht.
Nur einen Tag später testete die mobile Corona-Screening-Crew des Kreises 75 Bewohner in den Wohnbereichen 2 und 3, außerdem 45 Mitarbeiter. Am Samstag kamen die Anrufe vom zuständigen Gesundheitsamt über den Tag verteilt bei Jutta Hartmann, Leiterin Seniorenhilfe, an. „Positiv. Positiv. Positiv.“ Bilanz der ersten Testung: 15 Bewohner und drei Mitarbeiter infiziert. Insgesamt vier Kollegen wurden in Quarantäne geschickt. „Ich dachte nur: Ruhig bleiben, nicht in Hektik ausbrechen. Eine sehr belastende Situation“, erinnert sich Hartmann.
14 der 15 infizierten Bewohner waren aus Wohnbereich 3. Er wurde abgeriegelt, in einen Quarantäne- und einen Isolierbereich aufgeteilt. 17 Umzüge von angestammten Zimmern in andere Zimmer des Isolier-Bereichs mussten in Windeseile organisiert werden. Teilweise mit dem kompletten Mobiliar. Grund: „Unter den positiv Getesteten waren auch dementiell veränderte Menschen, für die ihre gewohnte Umgebung sehr wichtig ist“, so Jutta Hartmann. Nicht minder wichtig: Vertraute Gesichter. Doch auch Fachkräfte in Vollzeit waren unter den Infizierten. Neue Kräfte vom Krankenhaus und von Leihfirmen wurden eingesetzt, um die Stunden und Aufgaben erkrankter Kollegen auffangen zu können.