St. Tönis: Gefühltes Ende der Privatsphäre

Bei der rollenden Redaktion ging es am Donnerstag um Google Street View. Viele Bürger machten ihrem Unmut Luft.

St. Tönis. Der Unmut über Google Street View ist groß. Das Ansinnen des US-Konzerns, gestochen scharfe Bilder deutscher Städte übers Internet weltweit zu verbreiten, stößt bei den St. Tönisern auf wenig Gegenliebe. Viele kamen gezielt zum WZ-Mobil, um ihre Meinung kundzutun.

Wolfgang van Melis möchte nicht in einem Überwachungsstaat leben. "Ich bestehe auf dem Schutz meiner Privatsphäre." Ähnlich äußert sich Josef Levels. "Ich halte gar nichts davon. Was geht es die anderen an, wo ich wohne?" Carla Wagner fürchtet, wie viele, dass Einbrecher das Netz nutzen, um lohnenswerte Ziele auszukundschaften. "Es legt doch auch keiner sein Portmonee offen hin, keiner schlägt seine Kontoauszüge außen an. Deswegen bin ich natürlich dagegen."

Marlies Tillmanns findet Google Street View "ätzend! Die meinen, die können machen, was sie wollen. Was ist mit meiner Privatsphäre? Muss jeder sehen, ob ich den Hof gekehrt habe?" Auch sie glaubt, dass Einbrecher so leichteres Spiel haben. Dass sie dagegen Einspruch einlegen muss, empfindet sie als Zumutung. "Ich möchte gefragt werden. Die wollen schließlich was von mir."

Rolf Schumacher hat bereits über die Stadtverwaltung Einspruch eingelegt. "Ich habe auch schon eine Antwort bekommen. Bei uns auf der Straße haben alle Einspruch eingelegt", sagt er.

Ein Passant, der ungenannt bleiben möchte, findet das Ansinnen von Google "unverschämt". Ihn ärgert, "dass unsere Regierung zulässt, dass uns ein amerikanischer Konzert ausspioniert!"

Günther Schneider ist dagegen, "wenn’s ins Private geht. Auch wenn ich keine Ängste habe." Ihn wundert, dass der Staat das zulässt, "und mir alles verbietet."

Rita Lehmann kann nicht nachvollziehen, wozu Street View gut sein soll. "Das ist für die meisten nutzlos, ich kann die Folgen nicht abschätzen", sagt sie. Die Lage von Hotels habe sie bislang auch anders gecheckt.

Uli Peeren sieht das genauso. "Das muss man nicht haben." Hotels hat er über die Fotos auf deren Internetseiten ausgewählt. Was Street View leistet, hat er sich mal für die Niederlande angesehen. "Da sind die Aufnahmen der Häuser so gestochen scharf, dass man die Hersteller-Etiketten der Vorhänge lesen kann. Das geht zu weit."

"Das ist eine absolute Schweinerei, eine Frechheit", sagt auch Günter Rudnik. Und er fügt hinzu: "Jeder Einbrecher kann sich aussuchen, welches das schönste Haus ist." Google werde sein Versprechen, auf erhobene Einsprüche einzugehen und nicht legitime Aufzeichnungen zu löschen, ohnehin nicht halten.

"Ein i-Tüpfelchen der schon vorhandenen Überwachung. Höchste Zeit, dass der Staat eingreift, er darf seine Bürger nicht allein lassen", sagt Rita Büskens.

Doch nicht alle haben so massive Einwände gegen Street View, können der Sache sogar Positives abgewinnen. Stefanie Brünsing hat Street View vor zwei Jahren gezielt genutzt. In New York wollte sie eine Jungendherberge buchen und war froh, sich das Viertel vorher ansehen zu können. "Ich verstehe gar nicht, dass viele so allergisch reagieren. Wenn man sie auf den Fotos nicht erkennt, ist das doch in Ordnung." Die Ansicht eines Hauses sei für sie nicht privat.

Auch Margret Bailey findet Street View gut. "Wenn man jemanden besuchen will, kann man sich schon vorher ein Bild davon machen, wie es dort aussieht."

Weniger dramatisch sieht auch Karl-Heinz Pollmann die Lage, denn in Tönisvorst würden die Google-Kameras nicht auftauchen. "Schlimmer sind die Aufnahmen von oben (Google Earth). Darauf sieht man jeden Strauch."

Street View stelle jedoch auch eine Bereicherung dar, "da man mit den bereits vorhandenen Programmen Google Earth und Google Maps nicht alles sehen kann", sagt Uta Esters.

Während vor allem die älteren Anwohner skeptisch gegenüber dem neuen Dienst sind, blicken die Jugendlichen positiver auf das Angebot. Saskia Steinfals und Sandra Vion sehen darin Potenzial: "Jeder kann sehen, wie schön unsere Stadt ist." Und Liridona Abraze meint: "Solange man Einspruch erheben kann, ist es eine gute Idee."

Das sieht Waltraut Joos anders: "Wer Interesse an Tönisvorst hat, kann ja herkommen. Street View ist eine Missachtung der Privatsphäre."

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