St. Tönis: Eintauchen ins „Milljöh“

Im Forum Corneliusfeld wurde ein Bild des Künstlers Heinrich Zille auf die Bühne gebracht.

St. Tönis. Tief eintauchen in das Leben von Heinrich Zille und ins "Milljöh" von Berlin konnten jetzt die Zuschauer im ausverkauften Forum Corneliusfeld.

Horst Pillau hatte als Autor dafür gesorgt, dass sich, zusammengesetzt aus vielen kleinen Mosaiksteinen, ein eindrucksvolles Bild von dem 1858 geborenen Künstler, aber auch von dem gesellschaftlichen und politischen Leben seiner Zeit entwickelte.

Besonders gespannt waren die Zuschauer auf Walter Plathe, den sie als Landarzt in der gleichnamigen ZDF-Serie kennen und schätzen gelernt hatten: Am Vorabend seines 60. Geburtstags spielte Plathe den "Pinselheinrich", wie Zille liebevoll genannt wurde. Horst Pillau ließ das Denkmal Zille lebendig werden. Nach gut zwei Stunden sollte er dann wieder in die Denkmal-Rolle schlüpfen.

Die Zeit dazwischen war randvoll gefüllt mit Amüsantem, Unterhaltsamem und vor allem Wissenswertem. Insgesamt acht Schauspielerinnen und Schauspieler des Berliner Theaters am Kurfürstendamm schlüpften in die unterschiedlichsten Rollen - so verkörperte Reiner Heise allein neun Charaktere - vom namenlosen Proletarier bis zu Kaiser Wilhelm. Die kurzen Sequenzen hatten eine ziemliche Kulissenschieberei zur Folge und den Vorteil, dass die Inszenierung nie langatmig wirkte.

Die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse waren bedrückend, wirkten jedoch nicht so dank der speziellen Berliner Leichtigkeit des Seins. Zille kam als Menschenfreund rüber, als Mann des Ausgleichs, der freigiebig war, auch als es ihm selber wirtschaftlich schlecht ging.

Die Herzen der Zuschauer eroberte aber auch seine Frau Hulda (Maria Mallé) im Sturm: Eine weise Person, die ihrem Mann vorbehaltlos den nötigen Rückhalt auch in schweren Zeiten gab. Als Nacktmodelle ließen Katherina Lange und Alexander Rogge auf der Bühne die Hüllen fallen.

Horst Pillau zeichnete mit feinem Strich das Leben des Heinrich Zille nach vom unbekannten Maler zum anerkannten Künstler. Es ist die Geschichte eines Mannes, der sich zu den Schwachen hingezogen fühlte, der hoch moralisch handelte und der Sätze wie diesen sprach: "Ich bin nicht wohlhabend, ich bin anständig."

Erschreckend aktuell wirkte der Stoff immer wieder, beispielsweise als Zille nach 30 Jahren seinen Job verlor mit der Begründung: "Es gibt Billigere und Jüngere."

Neben Zille kamen auch andere zeitgenössische Persönlichkeiten auf die Bühne wie Claire Waldoff (Luise Schnittert) und Professor Liebermann (Klaus Gendries) - sie trugen ihren Teil bei zu einem gelungenen, facettenreichen Theater-Abend.

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