Sorgenfalten dominieren

Im Tönisvorster Haushalt 2011 klafft ein Loch von 8,2 Millionen Euro.

Tönisvorst. Normalerweise hat die Tönisvorster Kämmerin ganz sicher eine gesunde Distanz zwischen ihrem Auftreten und ihrem Job. Aber derzeit dominieren bei Nicole Waßen die Sorgenfalten, wenn sie an ihre tägliche Arbeit denkt. Grund ist der Haushalt 2011, den sie am Donnerstagabend in den Stadtrat einbrachte und der wohl einer der schwierigsten der letzten Jahre ist.

Über 8,2 Millionen Euro — so groß ist das Loch, dass das Zahlenwerk aufweist. Einnahmen von 44,15 Millionen Euro stehen Ausgaben von 52,35 Millionen Euro gegenüber. Und als wäre das noch nicht Hiobsbotschaft genug, schiebt die Fachfrau hinterher: „Da habe ich schon Steuererhöhungen eingerechnet.“ Sprich: Das muss die Politik noch genehmigen. „Ein Verzicht darauf hat keinen Sinn“, verteidigt Waßen das Vorhaben. Dadurch, dass das Land die Vorgaben (fiktive Hebesätze) erhöht habe, seien die Mehreinnahmen schon kalkuliert. Würde die Politik eine Erhöhung ablehnen, käme das einer Reduzierung der Einnahmen gleich.

Steigen sollen Grundsteuer A und B und die Gewerbesteuer, was eine Mehreinnahme von 1,1 Millionen Euro bedeuten würde. „Das fängt gerade mal das ab, was wir durch die Neufassung des Gemeindefinanzierungsgesetzes verloren haben“, sagt Waßen. Sie spielt damit auf die gesunkenen Schlüsselzuweisungen an.

Die Erhöhung der Beiträge für die Offene Ganztagsschule ist eine weitere Maßnahme, die die Kämmerin vorschlägt. Ein dicker Batzen ist auch eine Mehreinnahme, die vom Abwasserbetrieb kommen soll. „Wir sind gehalten, das Eigenkapital zu verzinsen“, sagt Bürgermeister Thomas Goßen. Das bringt Mehreinnahmen von rund 400 000 Euro. Wo kommt denn dieses Geld so plötzlich her? Das hat der Abwasserbetrieb doch nicht in seiner Kasse oder auf dem Konto. „Letztlich wird es über die Kanalgebühren finanziert“, sagt der Bürgermeister. Womit klar ist, dass auch diese steigen werden.

Und die Aussichten sind nicht gut. „Wir schrammen nur ganz knapp an einem Haushaltssicherungskonzept vorbei“, sagt Waßen. Hinter diesem Wortungetüm verbirgt sich, dass eine Stadt gezwungen ist, einen Nothaushalt vorzulegen. In diesem sind dann sämtliche freiwilligen Leistungen auf den Prüfstand zu stellen, etwa die Offene Ganztagsschule oder das Schwimmbad. „Dann gibt es keinerlei Raum mehr für Gestaltung“, erklärt die Kämmerin. „Wir bieten ausdrücklich an, diese Krise gemeinsam zu bewältigen“, sagt Thomas Goßen mit Blick auf die Politik. „Was anderswo — etwa in Willich — funktioniert, muss doch auch in Tönisvorst möglich sein.“

Wie dünn die Luft bereits jetzt ist, könne man daran erkennen, dass mehr als 65 Prozent der Ausgaben für Personal oder Umlagen draufgehen — rund 34 Millionen Euro im Tönisvorster Haushalt. Dieser Posten ist nicht zu beeinflussen. Wie wird denn nun das Defizit ausgeglichen? Da greift die Stadt zum Eigenkapital, das wiederum muss der Kreis als Aufsichtsbehörde genehmigen.

Was ist mit der viel zitierten Kreisumlage? Hier sei man in Gesprächen, versichern Goßen und Waßen. Und dabei hat die Kämmerin den Gesichtsausdruck ohne Sorgenfalten aufgesetzt. Das ist der, den man von ihr kennt und der einem „Pokerface“ gefährlich ähnelt.

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