Schummer: Als „Blauhelm“ in Berlin

Entscheidung für Hauptstadt aus heutiger Sicht des Abgeordneten richtig.

Willich. Uwe Schummer kann sich noch genau erinnern, was er am 20. Juni 1991 gemacht hat: „Ich saß vor dem Fernseher und habe mir die Debatte angeschaut.“

Zwölf Stunden diskutierten die Abgeordneten des Deutschen Bundestages in Bonn vor 20 Jahren über die Frage, ob Berlin Hauptstadt werden soll oder ob Parlament und Regierung im Rheinland bleiben.

„Im Herzen war ich klar pro Bonn“, erzählt Schummer, bis 1989 Leiter des Abgeordnetenbüros von Arbeitsminister Norbert Blüm und heute selbst Mitglied des Deutschen Bundestages.

Das Ergebnis der damaligen Debatte ist bekannt: Berlin machte knapp das Rennen. Uwe Schummer aus Neersen war enttäuscht, denn die Bescheidenheit der Bonner Republik schien ihm 1991 verlockender als Berliner Großmannssucht. Heute sieht er das anders: „Die Entscheidung war richtig.“

Die großen Umbrüche nach dem Fall der Mauer habe man nicht aus dem „wohltemperierten Bonn“ bewältigen können, sondern nur von dort, wo die deutsche Teilung am stärksten sichtbar war.

Bonn sei überschaubar gewesen, Berlin sei viel aggressiver, schneller. Das habe freilich auch mit den Veränderungen der Medienlandschaft und der Globalisierung zu tun. Im Vergleich dazu wirkten viele „Probleme“ der Bonner Jahre heute klein.

Der Umzug nach Berlin habe die Hauptstadt aber auch verändert — und das nicht nur durch die Architektur: „30 000 Rheinländer sind dorthin umgesiedelt und bilden mit ihrer ausgleichenden Mentalität die Blauhelme zwischen Ost und West.“

Mindestens einmal in der Woche fliegt Schummer in die Hauptstadt, die Sitzungswochen verbringt er komplett dort. „40 Prozent meiner Arbeitszeit bin ich in Berlin“, sagt er.

Seine Wohnung hat er im Stadtteil Tempelhof, der „Biertempel“ mit leckeren Altberliner Gerichten liegt gleich gegenüber. Dort ist Schummer deutlich lieber als in der rheinischen Kultkneipe „Ständige Vertretung“: „Wenn ich Flönz essen will, muss ich nicht nach Berlin fahren.“

Wolfgang Thierse (SPD), Vizepräsident des Deutschen Bundestages, hat gestern den Komplettumzug aller Ministerien nach Berlin gefordert. Im Bonn-Berlin-Beschluss war es damals anders vereinbart worden.

Gleichwohl kann CDU-Mann Schummer die Thierse-Forderung nachvollziehen: „Bonn geht es hervorragend und braucht die Ministerien nicht mehr. Nach 20 Jahren sollte man deshalb einmal überprüfen, ob nicht so nach und nach weitere Ministerien umziehen können.“

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