„Realschule war ein Statussymbol“

Die letzten Schüler haben die Willi-Graf-Schule in Anrath verlassen. Viele Jahre war sie am Standort in Schiefbahn beheimatet.

„Realschule war ein Statussymbol“
Foto: Stadtarchiv (2); WZ-Archiv

Anrath/Schiefbahn. Die Gründung der Willicher Realschule nennt Stadtarchivar Udo Holzenthal im Rückblick „das erste große Schulprojekt“ der Stadt: „Das war ein Statussymbol.“ Nach hartnäckigem Kampf der „Interessengemeinschaft zur Errichtung weiterführender Schulen in Willich“ hatte der Kreistag am 29. Oktober 1969 ihre Gründung unter der Bedingung beschlossen, dass die Gemeinde Willich Räumlichkeiten für drei Jahre zur Verfügung stellt. Das Kultusministerium gab die Genehmigung dazu, 1970 wurde die Kreisrealschule in der heutigen „Hülse“ in Willich eingerichtet. Am 7. September des gleichen Jahres nahm sie mit 58 Schülern den Betrieb auf. Am Freitag vor einer Woche hat sich der Kreis nun wieder geschlossen: 47 Jahre nach der Gründung ist der letzte Jahrgang in Anrath entlassen worden.

„Realschule war ein Statussymbol“
Foto: Stadtarchiv (2); WZ-Archiv

Über Jahrzehnte war die Realschule mit dem Standort Schiefbahn verknüpft: Im November 1973 hatten die Bauarbeiten für ein neues Schulgebäude im Westen des Stadtteils begonnen. Was auch unbedingt notwendig war, denn die neue Schule war in den Jahren zuvor so schnell gewachsen, dass in sieben verschiedenen Gebäuden unterrichtet werden musste.

„Realschule war ein Statussymbol“
Foto: Stadtarchiv (2); WZ-Archiv

Bereits 1971 wurde deshalb mit der Planung eines neuen Gebäudekomplexes für die Realschule begonnen. „Dieser sollte Bestandteil eines großen Schulzentrums werden und direkt mit der geplanten neuen Stadtmitte verbunden sein“, berichtet Udo Holzenthal. Da diese „Neue Mitte“ der jungen Stadt aber niemals realisiert wurde, sei die Realschule der einzige Bestandteil der alten Stadtplanung, der wirklich in die Tat umgesetzt wurde.

Am 1. September 1975 wurde die neue Realschule fertiggestellt. Die Baukosten betrugen rund acht Millionen Mark. An den Kosten der Sporthalle beteiligte sich die Stadt mit 1,7 Millionen Mark. Grund dafür war die Tatsache, dass der Kreis als Schulträger nur eine Kleinturnhalle finanzieren wollte, die Stadt aber eine Dreifach-Einheit für den Vereinssport wünschte.

1975 entstand in der Nachbarschaft auf dem Gelände des St.-Bernhard-Gymnasiums eine gemeinsame Schulsportanlage. Und auch das gab es damals schon: Aufgrund von Vandalismus musste diese in den Jahren 1983/1984 bereits komplett saniert werden.

Zum Schuljahrsbeginn 1976/77 wurde die Schule auf drei Züge erweitert. Kurze Zeit später folgte ein Wechsel der Trägerschaft: Nach mehrjährigen Verhandlungen wurde zwischen dem Kreis und den angehörigen Gemeinden eine Vereinbarung erzielt, aufgrund derer die bisherigen Kreisrealschulen auf die Standortgemeinden übertragen wurden, wie es der Regierungspräsident schon lange gefordert hatte. Die Schule ging zum 1. Januar 1978 nahtlos an die Stadt Willich über. Am 17. Februar des gleichen Jahres wurde sie nach dem 1943 hingerichteten, gebürtigen Euskirchener Willi Graf benannt, der Mitglied der Bewegung „Weiße Rose“ war.

Es folgten ruhige Jahre, bis Ende der 1990er Jahre akuter Handlungsbedarf aufkam, da die Schülerzahlen stetig stiegen und die Schulentwicklungsplanung eine Erweiterung auf fünf Züge anregte. Am 8. Juni 2002 wurde der 4,6 Millionen Euro teure Erweiterungsbau mit elf neuen Klassenräumen und vier Fachräumen eingeweiht. Kaum vorstellbar war zu dieser Zeit, dass nur wenige Jahre später über ein Auslaufen der Schule diskutiert werden würde.

Doch genauso kam es. Da die Schülerzahlen zurückgingen, entspannte sich 2011 eine politische Debatte über die Bildung einer Sekundarschule oder einer zweiten Gesamtschule im Stadtgebiet. Am 21. November 2011 sprach sich der Schulausschuss für die Einrichtung der Gesamtschule aus. Diese Entscheidung beinhaltete gleichzeitig die sukzessive Schließung der Willi-Graf-Schule. „Lamentiert wird nicht“, sagte Schulleiter Hermann-Josef Müller damals im WZ-Interview dazu. „Es ist ein Wechsel, ein Nachrücken, kein Wegnehmen.“

Fakt ist: Ab dem Schuljahr 2012/2013 wurde keine Eingangsklasse mehr gebildet. Am 15. Dezember 2011 folgte der Beschluss, die Sekundarstufe I der neuen Leonardo-da-Vinci-Gesamtschule in den Räumlichkeiten der Willi-Graf-Schule unterzubringen. Zum Schuljahrsbeginn 2014/2015 siedelten die letzten drei Jahrgangsstufen der Willi-Graf-Schule deshalb mit rund 200 Schülern nach Anrath um und bezogen dort frei werdende Räume der ebenfalls auslaufenden Johannesschule. Nun ist auch dieses letzte Kapitel der Schulgeschichte beendet.

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